Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Leben und Treiben in Thursday Island. 311

Perlmutter- und Trepangfischerei, und dadurch ein unvergleichlicher Versammlungsort von Abenteurern aller Rassen. Im offiziellen Bericht lese ich: Bevölkerung im Mai 1890 Europäer 270, Südseeinsulaner, Chinesen, Afrikaner, Asiaten und andere Rassen 256: total 526. Aber auch unter den »Europäern«, zu denen natürlich auch die weißen Australier gerechnet werden, sind alle Nationalitäten vertreten; außer den Briten, die die Mehrzahl bilden, besonders viele Skandinavier und Dänen, ferner viele Deutsche, Franzosen, Spanier, Portugiesen und Amerikaner.

Im Hotel sah man neben einem Stamm von einigen Herren, die auf der Insel ansässig waren, aber es vorzogen, im Hotel zu wohnen oder dort wenigstens zu speisen, fast täglich neue Gäste: Lotsen, Schiffskapitäne, Passagiere der vorüberkommenden Dampfer, Perlmutter-

fischer von den benachbarten Inseln, am Schenktisch sogar Chinesen und Südseeinsulaner. Der Hausknecht war ein Farbiger von Mauritius, der ein furchtbares Französisch an jedem verübte, der ihm einmal in dieser Sprache geantwortet hatte. Auf der Veranda kreischten einige Papageien und Kakadus, die als Respektspersonen betrachtet wurden und ihre kräftigen Schnäbel an allem versuchten, was in ihren Bereich kam. Vom Morgen bis spät in die Nacht hinein herrschte Leben, Lärm und Getümmel, und nie ist mir noch ein so bunt bewegtes, lustiges, aber auch so unruhiges Hotel vorgekommen. Allem dem stand mit Humor und fröhlichem Gleichmut die irische Wirtin und Besitzerin Frau McNulty vor, tätig, aufgeräumt und gutmütig, die Freundin und Beraterin aller ihrer Gäste.

Von den Insassen des Hotels war mir der interessanteste Rev. J. Chalmers, der mit seiner Gattin im März dort mehrere Wochen verweilte. Er ist einer der Pionier-Missionäre von Britisch-Neu-Guinea und hatte neben dem italienischen Naturforscher D'Albertis und dem jetzigen Gouverneur Herrn William Macgregor wohl die größten Verdienste um die Erforschung dieses unzugänglichen Landes, dessen Erschließung weit größere Schwierigkeiten bereitet als irgend ein Teil Afrikas. In Chalmers paaren sich Mut und Energie mit Geduld und Menschenliebe. Nie hat er von den Waffen Gebrauch gemacht, und dennoch hat er mehr erreicht als mancher Reisende, der ein ganzes Arsenal mit sich führt und gleich mit dem Schießen bei der Hand ist. Auch literarisch hat sich Chalmers hervorgetan und seine Erlebnisse als Pionier-Missionär in zwei anziehenden Büchern geschildert. Es war für mich ein besonderer Genuß, mir von ihm abends auf der Veranda des Hotels in Thursday Island von seinen Fahrten an jenen Küsten und seinen Beobachtungen der Eingeborenen erzählen zu lassen


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003