Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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310 Thursday Island und die Torresstraße.

Capri, die herrlichste aller Inseln, erscheint dann vielleicht am allerschönsten; eine waldbedeckte Tropeninsel, deren Linien sanft und gerundet sind, verliert bei solcher Beleuchtung fast allen Reiz.

Thursday Island machte ich für die Zeit vom 13. Februar bis 4. April 1892 zum Ausgangspunkt meiner Fahrten in der Torresstraße und quartierte mich dort in dem schönen, aber geräuschvollen »Grand Hotel« ein, in dessen Muster-Raum ich mein Laboratorium aufschlug. Es war dies ein großes zementiertes Gelaß zur ebenen Erde, für meine Zwecke sehr brauchbar und nur dadurch unangenehm, daß ich während der Arbeit von Moskitos sehr belästigt wurde, die diesen tiefgelegenen, etwas feuchten Teil des Hauses als Vereinslokal beschlagnahmt hatten.

Den längeren Aufenthalt in einem Tropenhotel finde ich wenig erfreulich. Die Zimmer sind meist fensterlos und erhalten Licht und Luft durch die Türe, die sich in der Regel auf die Veranda öffnet. Letztere pflegt in allen Stockwerken rings um das Haus herumzuführen. Die Veranda dient zur allgemeinen Benutzung. Niemand kann verhindern, daß direkt vor der Tür seines Zimmers sich Leute auf den bequemen Tropenstühlen niederlassen, ihr Schläfchen halten, stundenlang bis in die Nacht hinein plaudern. So ist jedes Zurückziehen, Absondern, sozusagen jedes Privatleben unmöglich; wie auf einem Schiff lebt man fortwährend in Gesellschaft, und ist selbst in seinem Zimmer nicht ungestört für sich. In Holländisch-Indien sind die Hotels nach demselben Plane gebaut, die Veranda ist aber oft durch Schirme in Bezirke abgeteilt, die zu den einzelnen Zimmern gehören und privat benutzt werden. Das ist ein großer Vorzug.

Im Grand Hotel von Thursday Island war ein stetes Gehen und Kommen. Fast alle Dampfer, die von Europa nach Queensland oder umgekehrt gehen, pflegen vor der Insel zu ankern und Kohlen zu nehmen. Diejenigen, die auf der »inneren Route«, das heißt durch den Riffkanal des großen Barrierriffs nach Brisbane gehen, nehmen hier einen Lotsen an Bord, und stets wartet eine Anzahl dieser gemütlichen Seebären, welche Schiffe von Brisbane hierher geleitet haben, auf von Europa kommende Dampfer. Wöchentlich läuft ferner ein Schiff von Cooktown über Thursday Island nach Normanton am Golf von Carpentaria und zurück, und auch die großen Dampfer, die die Verbindung von China mit dem nördlichen Australien (Port Darwin) und Sydney, Melbourne und Adelaide vermitteln, pflegen Thursday Island anzulaufen. So liegt die Insel mitten im Centrum eines lebhaften internationalen Verkehrs. Sie ist aber ferner noch der Mittelpunkt eines wichtigen lokalen Gewerbes, der


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003