Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Australische Trappe. 305

An den Fuß des Berges zurückgekehrt, beschloß ich, mich weiter nordwärts zu wenden und mein Camp nördlich von den Black Mountains, in dem Hügelland zwischen dem Annan und seinem Nebenfluß, dem Esk-River, aufzuschlagen, in der Nähe der Farm McCarey, wo es sehr viele Wallabies geben sollte. Auf dem Wege dorthin erlegte ich ein schönes Exemplar einer sehr seltenen Pythonschlange, Aspidites melanocephalus, die bisher überhaupt noch nicht in Queensland gefunden worden war und auf den Nordwesten Australiens beschränkt schien.

Bei unserem neuen Lager schossen wir zahlreiche Wallabies, fanden aber auch bei ihnen keine Embryonalstadien, sondern nur Beuteljunge. Von diesem Camp weiß ich sonst nichts besonderes zu berichten. Auffallend war die große Menge einer sehr streitbaren und zornigen Wespenart, die überall in den niedrigen Büschen, in der Nähe unseres Lagers ihre Nester aufgeschlagen hatte und jede unvorsichtige Annäherung durch wütende Angriffe strafte. Ungemein häufig war hier die australische Trappe, Choriotis australis, die unsere europäische Trappe, Otis tarda, an Höhe noch übertrifft. Wie ihr europäischer Vetter, hält sie sich ausschließlich auf weiten Ebenen auf und wird von den Ansiedlern »plain turkey«, Flachland-Truthahn genannt. Häufig sahen wir die majestätischen Vögel sich zu Dutzenden zwischen dem weidenden Vieh ergehen. Aber ähnlich unserer Trappe ist der australische Vertreter selbst hier, wo er doch nur wenig Verfolgung zu erleiden hat, so scheu und vorsichtig, daß es selten gelang, sich bis auf Flintenschußweite heranzuschleichen. Immerhin glückte es uns, eine Anzahl mit der Büchse zu erlegen, indem wir beim Anschleichen das weidende Vieh, dessen Nähe die Trappen nicht im mindesten stört, als Deckung benutzten. Die australische Trappe liefert einen vortrefflichen Braten, an dem sich drei hungrige Männer satt essen können.

Ich verweilte schließlich noch eine halbe Woche in Cooktown selbst und war viel mit dem dortigen Police-Magistrate, Herrn H. M. Chester, einem ehemaligen Offizier der indischen Arme, der Persien bereist und auch sonst viel von der Welt gesehen hatte, zusammen. Er gehörte zu den Pionieren in Nord-Queensland und war auch einer der ersten Erforscher von Britisch-Neu-Guinea. In Cooktown befand sich damals auch eine englische Dame, Frau E. Rowan, die sich für Botanik interessierte und die Blüten und Früchte der australischen Pflanzen durch eine prachtvolle Serie von Ölbildern zur Wiedergabe gebracht hatte. Ihre Gemälde waren vollendete Kunstwerke, welche wissenschaftliche Genauigkeit mit ästhetischer Schönheit


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003