Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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302 Die Nordostküste Australiens von Brisbane bis zum Kap York.

ihre Mine noch mindestens zwei Jahre mit gleichem Erfolge ausbeuten zu können und würden dann im ganzen an 100000 Mark aus ihr gezogen haben. Auf jeden einzelnen würde nach Abzug aller Kosten ein Reingewinn von 20000 Mark oder 1000 Pfund für 4 Jahre harter aber erfolgreicher Arbeit kommen. Das klingt sehr ansehnlich, man muß aber bedenken, daß die Leute gewöhnlich erst lange als »Prospektors« herumziehen müssen, bis sie eine Stelle finden, die der Mühe der Bearbeitung überhaupt verlohnt. Während dieser Zeit hat der Prospektor keine Einnahmen, sondern oft genug beträchtliche Ausgaben. Er muß selten oder nie betretene Gebiete durchstreifen, oft unter harten Entbehrungen, immer auf seiner Hut vor den Angriffen feindlicher Eingeborener, und es dauert oft Jahre, ehe er den gewünschten Erfolg hat. Ist eine vielversprechende Stelle gefunden, so hat er seinen Fund der nächsten Behörde anzuzeigen und erhält dann seinen »claim« zugesprochen. Handelt es sich um alluviales Gold oder Zinn, so ist die Zuleitung von Wasser zum Auswaschen die Hauptsache, und bewundernswürdig sind die Wasserleitungen, die die einfachen, technisch doch ganz ungebildeten Zinngräber bei Cooktown mit ihren eignen Händen herstellen, um durch Meilen der wildesten und rauhesten Gegend das Wasser ihren kleinen Minen zuzuleiten. Zuweilen stellt sich dann nach einigen Monaten heraus, daß das Lager die Bearbeitung gar nicht lohnt oder sich rasch erschöpft, und selbst in gutem Falle, wie dem im top camp von Mount Finnigan, ist das jahrelange Arbeiten in so einsamer und wilder Gegend keine Lebensweise, die für jedermann taugen würde. Wem also das Leben in der alten Welt zu klein und dürftig erscheint, weil er durch unablässige mechanische Arbeit nur so viel verdient, als er notdürftig zum Leben braucht, der soll es sich doch erst zweimal überlegen, ehe er nach Australien geht und Prospektor wird. Ereignisreicher, aussichtsvoller ist ein solches Leben allerdings, es stellt aber auch weit höhere Anforderungen an den Mut, die Ausdauer und männliche Tüchtigkeit.

Der Gipfel des Berges ist von einem undurchdringlichen Urwald bedeckt und dieser bildet den Aufenthaltsort der Baumkänguruhs. Wir sahen bald, daß es unmöglich sein würde, ohne weiteres in diesen Wald einzudringen und in ihm zu jagen. Zum Glück war aber durch die Zinngräber ein Zugang geschaffen worden, als sie von einer Quelle nahe dem Gipfel des Berges eine Wasserleitung bis zu ihrem Zinnlager herstellten. Die Leitung führte steil an der Lehne des Berges empor, mitten durch dichtesten Urwald, durch den erst mühsam eine Bahn mit Haumessern und Axt geschlagen worden war.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003