Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

300 Die Nordoslküste Australiens von Brisbane bis zum Kap York.

dich tot.« Damit hatte er sich hingelegt. Dem Jungen schien das bedenklich, er kannte seinen Herrn und hatte, wie er später angab, gedacht: »Me shoot him first«, und richtig hatte er den gefährlichen Mann mit dessen eigenem Gewehr im Schlafe erschossen. Das Kind wurde natürlich vom Gericht wegen des Mordes nicht bestraft, denn alle, die den Ermordeten kannten, sagten, daß seine Äußerung am Abend ebensogut ernsthaft wie scherzhaft gemeint gewesen sein könnte, und der Junge ganz recht gehabt hätte, nicht die Lösung des Rätsels abzuwarten. Man mußte den Kleinen aber aus der Gegend entfernen, damit er nicht der Rache der Kameraden und Gesinnungsgenossen jenes Blutmenschen zum Opfer fiel. Denn daß ein Schwarzer ungestraft einen Weißen töten darf, auch wenn er sich in Notwehr befindet, ist nach der Anschauung dieser Leute etwas ungeheuerliches.

Wie man sieht, muß man sich also beim Anstellen anthropologischer Sammlungen in wilden Gegenden in acht nehmen. In Neu-Guinea hörte ich, daß der Gouverneur, Sir William McGregor, nahe daran gewesen war, einen italienischen Naturforscher auszuweisen, weil dieser erklärt hatte, er wolle mehrere Hundert Papuaskelette sammeln. Da er gute Preise an Tabak und Messern dafür zahlen wollte, lag der Gedanke für die einfachen Wilden doch sehr nahe, Streifzüge in entferntere Dörfer zu unternehmen und das fehlende Material frisch zu beschaffen. Kopfjägerei ist ja so wie so bei vielen Papuastämmen ein beliebter Sport, und hier hätte man noch etwas dabei verdienen können.

Ein Naturforscher sei daher recht vorsichtig mit dieser Art Sammlungen und sehe sich seine Lieferanten, schwarze wie weiße, genau an, ehe er mit ihnen wegen solcher Objekte in Verbindung tritt.

Da sich während unseres Aufenthaltes in dieser Gegend kein einziger Schwarzer vor uns blicken ließ, mußten wir uns ohne sie behelfen. Unsere Jagderfolge waren im großen und ganzen zufriedenstellende. Wir brachten nach einiger Zeit in Erfahrung, daß die Baumkänguruhs niemals hier am Fuße des Berges, sondern nur viel höher oben in dem dichten Urwald, der den Gipfel bedeckt, gesehen worden waren. Dorthin mit der Dray zu gelangen, war aber unmöglich. Es lebten dort oben vier Zinngräber in einer selbstgezimmerten Blockhütte, dieselben, durch die die Kunde von dem Vorhandensein der Baumkänguruhs in dieser Gegend nach Cooktown gedrungen war, und Asmus, der zu ihnen hinaufstieg, brachte die Mitteilung zurück, daß sie uns gern für einige Tage bei sich aufnehmen wollten.

Das Blockhaus der Zinngräber oder das »top camp« lag etwa


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003