Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Baumartige Brennessel. 297

ungleich intensiver als das unserer kleinen krautartigen Brennessel und eine ausgedehntere Verletzung durch die Brennhaare, die beide Seiten der Blätter dicht bedecken, kann heftige Lymphgefäßentzündungen hervorrufen und geradezu gefährlich werden. Berührt man vorsichtig ein Blatt mit der Fingerspitze, so empfindet man einen heftigen Schmerz, der durch den ganzen Arm bis zur Achselhöhle aufsteigt. Trifft das Gift die Schleimhäute, so wirkt es auch dort als ein heftiger Reiz; beispielsweise wird man durch einen starken Wind, der über einen Nesselbaum zu einem hinweht, zum Niesen gereizt werden. Die höheren Bäume sind weniger gefährlich, aber die niederen Büsche, die beim Durchreiten Pferd und Reiter mit ihren Giftblättern streifen, bilden eine ernste Gefahr. Pferde sind besonders empfindlich, sie geberden sich ganz rasend, beginnen sich zu rollen und werden tagelang gebrauchsunfähig.

Ein anderes Schrecknis jener Dickichte ist die kletternde Dornpalme, Calamus australis, von den Kolonisten ğlawyer vineĞ, Advokatenwinde genannt. Dieses Gewächs, das zu den Rotangpalmen gehört, klettert von Baum zu Baum und spannt überall seine harten elastischen Ausläufer und Ranken, die mit spitzen Haken und Dornen gespickt sind, durch das Dickicht aus. Wehe dem, der mit ihnen in Berührung kommt. Wie in dem Netz eines scharfen und zähen Advokaten fühlt er sich ergriffen, hat er sich hier befreit, so ist er da wieder gepackt und müht sich in aussichtslosem Kampfe ab, sich der Umarmung des ğlawyer vineĞ zu entziehen. Da wo diese Palme häufig vorkommt, ist es thatsächlich unmöglich, durch den Wald zu dringen, wenn man sich nicht ganz systematisch mit dem Haumesser seinen Weg bahnt.

Sehr häufig waren in diesen Gegenden die prachtvoll gefärbten Bienenfresser, Merops ornatus, langschnäblige Vögel von der Größe einer Amsel, aber viel schlanker. Ihre grüne Grundfarbe wird durch schwarze, rotbraune, gelbe und blaue Farbentöne in reizender Weise belebt. Asmus beklagte sich sehr über diese Vögel, die ihm das Halten seiner Bienen erschwerten. Überhaupt haben die Bienen hier in den Tropen viel mehr Feinde, und ihre Vorräte viel mehr Freunde, als in Europa oder im gemäßigten Australien. Außer den zahllosen insektenfressenden Vögeln, unter denen die Bienenfresser die schlimmsten sind, bilden auch die massenhaften Spinnen und Wespen eine große Gefahr für die fleißigen Honigsammler, viele Eidechsen stellen ihnen nach, und die räuberischen und mutigen Ameisen statten ihren Vorräten Besuche ab. Der Bienenzüchter muß deshalb immer die Augen offen haben, Ansiedlungen der Ameisen, Wespennester und


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003