Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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292 Die Nordostküste Australiens von Brisbane bis zum Kap York.

Krokodile am Ufer liegen. Es waren Leistenkrokodile, Crocodilus porosus (biporcatus), die in den Flußmündungen und an den Küsten von Nordaustralien, Neu-Guinea und den malayischen Inseln, des südwestlichen Chinas und an der Ostküste Indiens ungemein häufig sind, ja selbst auf den Salomonsinseln und Fidji vorkommen. Weit aufwärts in die Flüsse scheinen sie nicht aufzusteigen, sondern das Mündungsgebiet und die Küste zu bevorzugen. Diese Tiere erreichen eine Länge bis zu acht Metern und darüber und sind gefährliche Räuber, die größeres Wild, Kälber, Schafe, Menschen, die sich unvorsichtig dem Wasser nähern, fassen, in die Tiefe ziehen und verschlingen. Der Angriff erfolgt ausschließlich vom Wasser aus, in dem der Räuber an einer tieferen Stelle versteckt auf seine Beute lauert. Wenn eine größere Zahl von Menschen sich am Wasser aufhält und viel Geräusch macht, hat das Krokodil keinen Mut, sondern macht sich davon, und nie habe ich gehört, daß es sich aus einer solchen Schar sein Opfer herausgeholt hätte. Auf ein einzelnes Mädchen, das am Flusse Wasser schöpfen will, auf den still am Ufer oder im kleinen Kanoe angelnden Fischer stürzt es sich, und so plötzlich ist sein Angriff, so sicher sein Griff, daß es für die Ergriffenen selten Rettung gibt. Doch wagen sich nur größere Leistenkrokodile, und auch von diesen nur einzelne, besonders mutige an erwachsene Menschen. Es verhält sich ähnlich wie mit dem Tiger. Nur eine verhältnismäßig kleine Zahl sind Menschenfresser. Diejenigen aber, die sich einmal an Menschen gewagt haben, werden immer kühner, und ein einzelnes Tier kann dann eine bestimmte Stelle auf lange unsicher machen. Dr. Kortüm zeigte mir den mehr als meterlangen Kopf eines solchen gepanzerten Riesen, der lange Zeit im Endeavourfluß bei der Kortümschen Farm gehaust und viele Kälber und andre Haustiere, zuweilen auch einige friedliche Chinesen zum Verschwinden gebracht hatte. Er war dabei so schlau und vorsichtig, daß es nicht glückte, ihn durch einen Büchsenschuß zu erlegen. Endlich war es gelungen, ihn mit Strychnin zu vergiften. Er soll acht Meter lang gewesen sein, und in seinem Magen soll sich der Zopf eines Chinesen gefunden haben. Für die historische Treue letzterer Angabe vermag ich aber nicht einzustehen.

Das Lager der Flughunde befand sich in einem dichten, aber nur etwa einen Quadratkilometer Breite einnehmenden Scrub in der Nähe der Station eines Herrn Webb, eines ehemaligen Kameraden von Harry Asmus. Der Hausherr war nicht anwesend, freundlich wurden wir aber von seiner Frau aufgenommen. Vor dem Hause stand ein Käfig, in dem ein schöner, langschwänziger Papagei von grüner


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003