Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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290 Die Nordostküste Australiens von Brisbane bis zum Kap York.

Wasser und ertränken, hoch aufgerichtet, jeden Hund, der auf sie zugeschwommen kommt. Zur Känguruhhatz benutzt man mit Vorliebe Kreuzungen von Windhunden und Doggen, sogenannte Känguruhhunde, die Schnelligkeit mit Mut und Kraft vereinen.

In den Ebenen bei Cooktown, zwischen Oaky Creek und Endeavour waren Känguruhs noch recht häufig, besonders das riesenhafte rote Känguruh, Macropus rufus, das in zahlreichen Herden dort lebt. Die größte dieser Herden, aus der wir mehrere Stücke herausschössen, zählte über hundert Stück.

Sehr kam mir auf diesen Jagden meine Büchsflinte zu statten. Ich birschte mich bis auf Schrotschußweite an die Herde heran, schoß ein Stück der sitzenden Tiere und hatte dann noch einen Kugelschuß auf die fliehende Herde. War es nicht möglich, so nahe heran zu kommen, so schoß ich gleich auf größere Entfernung aus dem Büchsenlauf mit Expreßpatrone. Das schlimme war nur, daß die Tiere durch die fortgesetzte Verfolgung bald scheu und vorsichtig wurden, und es nach einiger Zeit ungemein schwierig war, sich an eine öfter beschossene Herde heranzubirschen. An die große Herde von über hundert Stück kamen wir bald überhaupt nicht mehr heran, weil stets das eine oder das andere Tier unser Heranschleichen bemerkte und den ganzen Schwärm mit fortnahm.

Ähnlich unsern Hirschen und Rehen halten sich die Känguruhs bei Tage gern in geschützten, dichteren Stellen verborgen und treten erst abends mit Anbruch der Dunkelheit zum Äsen aus. Wie oft habe ich abends in meinem Camp das schwere taktmäßige Klopfen gehört, das durch das kräftige Aufschlagen der Hinterläufe auf den Boden hervorgerufen wird. Dieser Laut gehört zum australischen Busch wie das tolle Gelächter des laughing Jackass und die reizende Weise des Flötenvogels.

Jagt man die Känguruhs der Häute wegen, so wählt man die starken Männchen aus und schießt mit der Kugel. Da es mir aber nicht auf die unverletzten Felle der Tiere, sondern auf die Embryonen ankam, so schossen wir ausschließlich erwachsene Weibchen und wandten Schrot- wie Kugelschuß an. Die Weibchen dieser Art sind leicht kenntlich, denn sie sind gewöhnlich nicht rötlich wie die Männchen, sondern mehr blaugrau gefärbt. Für meine Sammlungen war die Zeit wenig günstig, denn jedes Weibchen, das wir schossen, hatte je ein meist schon ziemlich großes Beuteljunges. Wenn scharf verfolgt, begeht übrigens das Känguruh dieselbe unmütterliche Handlung wie die Känguruhratte. Sie streift das Junge aus den Beutel und opfert es, um selbst besser ihren Verfolgern zu entgehen. Man


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003