Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Känguruhs und Wallabies. 289

kann dies leicht feststellen, wenn man die Spuren der Tiere am Boden untersucht. Der Schwanz schwingt bei jedem Sprunge mit, berührt aber nicht den Boden. Er dient wohl vorwiegend als Steuer, beim Sitzen auch als Sockel.

Im Hinterlande von Cooktown gibt es noch große Mengen von Känguruhs. Im mehr bevölkerten Süden ist ihre Zahl, besonders die der größeren Arten stark gelichtet, nicht etwa weil die Ansiedlung von Menschen sie vertreibt, oder ihre natürlichen Existenzbedingungen verändert sind, sondern weil man sie systematisch ausrottet. Die Squatters sehen in ihnen Konkurrenten ihres Viehes auf der Weide, und in dürren Zeiten können sich größere Känguruhherden in einem Bezirk wohl auch unangenehm als Mitkonsumenten der spärlichen Weide bemerklich machen. Man setzte deshalb vielfach von Regierungswegen einen Preis auf den Skalp aus, 25 oder 50 Pfennig und mehr, und bewirkte dadurch eine Vernichtung der interessanten und harmlosen Tiere in großem Maßstabe. Auf großen Treibjagden wurden Hunderte zusammengeschossen; ihre Körper ließ man ungenützt vermodern. Erst neuerdings hat man in Erfahrung gebracht, daß die Känguruhhaut ein besonders feines und schönes Leder liefert und deshalb von großem Werte ist. Seitdem erwerben sich eine Anzahl Leute ihren Unterhalt mit der Känguruhjagd. Sie streifen in den Gegenden, die noch größere Känguruhherden beherbergen, herum, birschen sich an die Tiere heran und strecken die ausgewachsenen großen Männchen durch einen wohlgezielten Büchsenschuß. Für eine große, tadellose Känguruhhaut wird bis zu 18 Mark bezahlt. Ein beliebter Jagdsport ist in ganz Australien die Hetzjagd zu Pferde. In bergigem Terrain ist diese Jagdart aussichtslos, weil das Wild Terrainhindernisse, Senkungen und Schluchten überspringt, die Pferd und Hund umgehen oder durchklettern müssen. Auf ebenem Terrain aber holt ein gutes Pferd und ein guter Hund das Känguruh trotz seiner enormen Sprünge bald ein, denn vier Beine ermüden nicht so bald, wenn sie den Körper forttragen sollen, als zwei, und zuletzt bleibt dem armen Springtiere nichts anderes übrig, als sich mit dem Rücken gegen einen Baum zu stellen und sich durch Stoßen und Kratzen mit den Hinterbeinen, deren vierte Zehe eine lange spitze Kralle trägt, der Angreifer zu erwehren. Hunde, die sich einem zu verzweifelter Gegenwehr gerüsteten alten Känguruhmännchen unvorsichtig nahen, werden oft mit den Vorderfüßen ergriffen, umarmt und zu Tode gekratzt. Ein Mensch, der ein solches Tier mit einem tüchtigen Knüppel angreift, kann es aber leicht erlegen. Manche Känguruhs flüchten sich in der Verzweiflung ins


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003