Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Harry Asmus. 287

der Känguruhentwicklung zu sammeln und zu versuchen, ein oder das andere Exemplar der merkwürdigen und sehr seltenen Queensländer Baumkänguruhs zu erbeuten. Wie ich hörte, gab es Känguruhs in großen Mengen genau im Westen von Cooktown, in dem Bergland zwischen dem Endeavourfluß und dem Oaky Creek, einem Nebenfluß des Annanflusses. Dorthin brach ich zunächst auf, indem ich nur einen kleinen Teil meines Gepäcks mitnahm, und fand mich nach zwei Tagen behaglich im Camp und für meine Jagdunternehmungen fertig eingerichtet. Wir lagerten in einer Ebene am Fuße der Oaky Creek Range. Die Ebenen und die niederen Gebirgslagen tragen auch hier den gewöhnlichen Charakter des offenen Eukalyptusbusches, wie wir ihn schon am Burnett zur Genüge kennen gelernt haben. Ein Unterschied macht sich aber insofern bemerkbar, als hier nahe der Küste, wo die Feuchtigkeit der Luft eine viel größere ist als im Innern, überall da, wo sich ein Wasserlauf hinzieht, ein schmaler Streifen tropischer Gewächse, Palmen, Pandanus, Ficus ihn zu beiden Seiten begleitet. Galeriewälder, als Begleiter der Flüsse, findet man auch anderswo. Eigenartig ist hier aber der scharfe Vegetationswechsel, besonders sonderbar der Anblick an kleinen Wasserläufen, wo der Streifen tropischer Vegetation, der den Creek umsäumt, nur wenige Meter breit und scharf nach außen abgeschnitten ist. Hie und da, wo der Untergrund feucht oder sumpfig ist, finden sich im Busch dichte Scrubs mit vorwiegend tropischer Vegetation. Die regenfeuchten Gipfel der höheren Berge sind mit einem üppigen tropischen Pflanzenwuchs bedeckt.

In der Ebene und dem mäßig kupierten Terrain leben noch große Herden von Känguruhs, jenen allbekannten Beuteltieren, die uns geradezu als die Charaktertiere Australiens erscheinen. Jeder von uns hat schon vielfach Känguruhs in zoologischen Gärten und Menagerien gesehen, und wir bemerken dort wohl, daß es größere und kleinere Arten gibt. Eine Vorstellung von dem Reichtum der Arten und Gattungen machen wir uns aber nicht, und zwar deshalb nicht, weil wir über dem sonderbaren Bau der Extremitäten, des Schwanzes, der merkwürdigen Fortbewegung alles andere vergessen und auf kleinere Unterschiede nicht achten. Dennoch zeigen diese scheinbar so einförmig gebauten Geschöpfe eine erstaunliche Mannigfaltigkeit in ihrem Habitus, ihren Lebensgewohnheiten, ihrer Verbreitung. Wenn wir nur die eigentlichen Makropodinen berücksichtigen und die »Känguruhratten« ganz außer Acht lassen, so haben wir 7 Gattungen mit zusammen 43 Arten zu unterscheiden. Davon kommen 23 auf die Gattung Macropus, das eigentliche Känguruh.


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003