Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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274 Die Nordostküste Australiens von Brisbane bis zum Kap York.

bezahlt, aber von einer Überproduktion von Schafen kann man deshalb nicht sprechen, weil das Hauptprodukt der Schafzucht, die Wolle, sich leicht überall hin exportieren läßt.

Der Export lebender Rinder nach Europa ist nun gegenwärtig noch viel zu kostspielig und gewagt, um ernstlich bei der Verwertung des australischen Überschusses in Frage zu kommen. Der Export von in Büchsen konserviertem Fleisch wird meiner Meinung nach niemals eine sehr große Zukunft haben, weil die bei der Konservierung angewandte hohe Temperatur das Fleisch allzusehr verändert. Ich glaube ein besseres Urteil darüber zu haben, als diejenigen, die hie und da einmal zum Abendessen oder auf einer Alpentour Büchsenfleisch genießen, denn ich habe auf meinen Reisen monatelang davon gelebt und habe die Erfahrung gemacht, daß es mit der Zeit geradezu unausstehlich wird. Die Fleischfasern haben ihren natürlichen Zusammenhalt verloren, auch der specifische Geschmack ist gewöhnlich geschwunden, so daß sich Rindfleisch und Hammelfleisch kaum noch unterscheiden lassen. Nur Rinder- und Schafzunge scheint davon eine Ausnahme zu machen, da sie sowohl ihre Konsistenz als auch ihren Geschmack behält und durch die Behandlung sich nicht sehr stark verändert. Gemüse und besonders Früchte büßen durch Büchsenkonservierung nichts von ihrer Konsistenz und wenig von ihrem Geschmack ein, wie jede Hausfrau weiß, und jeder von uns täglich erfährt.

Eine viel größere Zukunft als das Konservieren des Fleisches durch Sterilisieren in hoher Temperatur und Einlöten in Zinnbüchsen hat die Konservierung durch die Kälte, das Gefrierenlassen. Auf diese Weise kann man das Fleisch monatelang frisch erhalten, ohne daß es sich im mindesten verändert. Eine gewisse Vorsicht ist nur insofern erforderlich, als, wie man mir gesagt hat, das Auftauen nicht allzu rasch erfolgen darf. So konserviertes Fleisch kommt schon jetzt massenhaft nach England. Es begegnet allerdings vorläufig noch einem gewissen Vorurteil. Auch kann sich überhaupt das Fleisch des frei im Busche lebenden australischen Rindes nicht mit dem des sorgfaltigst gezüchteten und gefütterten englischen und deutschen Schlachtviehes messen. Das gefrorene australische Fleisch hat aber vielleicht noch einmal die Bestimmung, ein wichtiges Volksnahrungsmittel in Europa zu werden, wenn ihm nicht die Besorgnis, daß es der einheimischen Viehzucht zu starke Konkurrenz machen könnte, überall einen Riegel in Gestalt von hohem Schutzzoll vorschieben wird.

Mit dem Export von gefrorenem Fleisch ist Neuseeland vorangegangen. Queensland ist erst später gefolgt, zunächst die Fleisch-


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003