Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Viehproduktion Australiens. 273

im Werte von 20 Mark ausgab. Die Aktien stiegen rasch zu fabelhafter Höhe, fielen dann wieder sehr stark, wurden aber in der Zeit meiner Anwesenheit immer noch mit 120 Mark das Stück verkauft. Das heißt also, die Mine besaß jetzt den zehntausendfachen Wert dessen, was der erste Besitzer für sie erhalten hatte. So geht es aber mit vielen australischen Minen, falls es sich nicht um alluviales Gold handelt. Nicht ihre Entdecker und ersten Bearbeiter ziehen den wahren Nutzen aus ihnen, sondern die Spekulanten und Gründer von Aktiengesellschaften.

Am linken Ufer des Fitzroy, etwa fünf Kilometer von der Stadt flußaufwärts, liegen die ausgedehnten Werke der Central Queensland Meat Export Company. Derartige »Fleisch-Werke« sind vielleicht noch einmal bestimmt, eine wichtige Rolle, nicht nur für Australien, sondern für die ganze Welt zu spielen, indem sie dem Fleischexport einen Umfang und eine Bedeutung geben dürften, der für die pastoralen Verhältnisse der alten Welt von entscheidendem Einfluß sein könnte.

Australien produziert schon seit längerer Zeit viel mehr Schlachttiere, als es selbst zu konsumieren im stande ist. Im weiten Busch finden die Herden fast unbegrenzte Weideflächen und, wenn nicht gerade eine Trockenperiode herrscht, das ganze Jahr hindurch reichliche Nahrung. Man braucht keine Hirten, um sie zu hüten, keine Ställe, um sie vor Kälte zu schützen, keine Winterfütterung. Mit einem Dutzend Stockmen kann man die ganze Abwartung einer Herde von zwanzigtausend Stück Rindern versehen. Worin diese Abwartung besteht, das Mustern, das Auslesen, das Versenden der Tiere, habe ich schon bei früheren Gelegenheiten geschildert. Noch einfacher ist die Haltung der Schafe, die man gegenwärtig in ungeheure Pad-docks mit Draht einzäunt und bis zur Wollschur beinah vollständig sich selbst überläßt.

Es ist kein Wunder, daß unter diesen Umständen der Viehbestand Australiens sich ganz kolossal vermehrt hat, und der Wert des Viehes dementsprechend gesunken ist. Queensland mit seiner halben Million Einwohner besitzt viele Millionen Rinder, und obwohl dort auch der ärmste Tagelöhner täglich so viel Fleisch essen kann, als er nur eben mag, bleibt doch noch ein sehr beträchtlicher Überschuß. Auch der Versandt an die anderen bevölkerteren Kolonien kann denselben nicht wesentlich vermindern, weil auch diese im Übermaß produzieren. So kommt es, daß jetzt in Queensland ein ausgewachsenes, kräftiges Rind durchschnittlich nur 50 Mark wert ist. Für ein schlachtbares Schaf wird zuweilen nur eine Mark


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003