Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Geschichte der australischen Rasse. 267

Nachbarn der Australier, die Papuas von Neu-Guinea, die Malayen der Sundainseln, die Maori von Neu-Seeland stehen in keinem näheren Venvandtschaftsverhältnis zu ihnen.

Dagegen finden wir viel weiter entfernt in den Urstämmen Indiens, den Dravida, Typen, die in ihren anthropologischen Merkmalen auffallend an die Australier erinnern. Auf die Ähnlichkeit der hill-tribes im Innern des Dekhan mit den Australiern hinweisend sagt Huxley: »Ein gewöhnlicher Kuli, wie man sie unter dem Schiffsvolk jedes frisch zurückgekehrten Ostindienfahrers sehen kann, würde bis auf die Haut entkleidet sehr gut die Musterung als Australier passieren; immerhin sind der Schädel und der Unterkiefer gewöhnlich weniger grob.« Huxley geht in der Betonung der Übereinstimmung wohl etwas zu weit. Jedenfalls tritt uns aber in einer ganzen Reihe von Merkmalen, dem Bau des Schädels, der Gesichtsbildung, dem wellig gelockten Haar eine deutliche Beziehung der Australier zu den Dravida entgegen, die dadurch noch besondere Bedeutung gewinnt, daß durch die sprachvergleichenden Untersuchungen von Norris, Bleek und Cald-well eine Anzahl von bedeutsamen Übereinstimmungen zwischen dra-vidischen und australischen Sprachen aufgedeckt worden sind. Da die Wohnorte beider Rassen so gänzlich von einander geschieden sind, und sich zahlreiche Völker dazwischen schieben, deren Sprachen mit den dravidischen und australischen nicht die mindeste Verwandtschaft besitzen, gewinnt diese Übereinstimmung noch besondere Bedeutung.

Es spricht vieles für die Auffassung, dass die Australier und Dravida einenj gemeinsamen Hauptaste des Menschenstammes entsprossen sind. Einen Seitensproß dieses Hauptastes würden nach den umfassenden und eindringenden Untersuchungen von Paul und Fritz Sarasin die weddaischen Stämme Indiens und Ceylons darstellen, die man als vordravidische bezeichnen könnte. Als sie dem Hauptaste entsprossen, stand derselbe noch auf einer sehr tiefen Entwicklungsstufe, und sie scheinen seitdem kaum irgendwelche nennenswerten Fortschritte gemacht zu haben. Die Kaukasier sind höchst wahrscheinlich aus den Dravida hervorgegangen, und somit hätten wir Europäer in den tiefstehenden Wilden Australiens Verwandte zu begrüßen , sehr entfernte allerdings, aber doch immer näher mit uns verbunden als Neger, Malayen und Mongolen. Schon von verschiedenen Beobachtern ist hervorgehoben worden, daß die Züge der Australier bei all ihrer sogenannten Häßlichkeit und Grobheit doch oft an niedere Typen der kaukasischen Gesichtsbildung erinnern, und ein Blick auf die in diesem Buche angebrachten Photographien, die


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003