Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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246 Die Ureinwohner Australiens.

den Ceratodus, fängt man durch Tauchen. Um sich andrer Fischarten zu bemächtigen, sperrt man Buchten und Flußarme durch Wehre aus Buschwerk ab und fischt sie gemächlich aus. Besonders in den Küstengegenden dient beim Fischen der schwere, meist mehrspitzige Fischspeer, während das Fischen mit dem Angelhaken fast überall da, wo nicht fremde Einflüsse verändernd gewirkt haben, unbekannt ist. Doch findet man bei vereinzelten Stämmen Angelhaken aus Holz oder Vogelklauen, vielleicht eine eigene Erfindung, die an verschiedenen Stellen gemacht ist, aber keine weitere Verbreitung gefunden hat.

Wenn man mit den australischen Eingeborenen in näheren Verkehr tritt, nimmt man auf Schritt und Tritt dieselbe Unfähigkeit ihres Geistes wahr, zu berechnen und zu kombinieren. Meine Leute belogen mich wohl, indem sie mir sagten, sie hätten fleißig gearbeitet, wenn sie doch offenbar den ganzen Tag über gebummelt hatten. Zu einem etwas schlauer ausgeklügelten Betrug fehlte es ihnen aber durchaus an Berechnung. Wie leicht hätten sie mir das fast dem Beutel entwachsene Junge von Echidna und die Mutter einzeln bringen können, um so doppelte Bezahlung zu erlangen, da ich kein Mittel gehabt hätte, den Betrug zu erkennen, und für jedes weibliche Tier ohne Unterschied, ebenso wie für jedes selbständige Junge denselben Preis zahlte. Kein einziger meiner Schwarzen kam aber auf diesen einfachen Gedanken, und stets brachten sie mir die Mutter mit dem fast selbständigen Jungen im Beutel - - nicht aus Ehrlichkeit, sondern aus Mangel an Schlauheit. Um nicht ungerecht zu sein, muß ich übrigens betonen, daß meine Leute im großen und ganzen redlich waren, und ich ihnen viel mehr trauen konnte, als auf früheren Reisen meinen afrikanischen und später meinen malayischen Dienern. Doch waren auch sie nicht gerade abgeneigt, mich zu übervorteilen, wenn das so ohne kompliziertere Denkoperationen ging. Es gab manche unter ihnen, die hin und wieder einmal auf Fragen lügenhafte Antworten gaben, wiewohl ich sie im allgemeinen als wahrheitsliebend bezeichnen muß. Kein einziger kam aber je auf den Gedanken, sich eine Lüge auszudenken oder eine Geschichte zu erfinden. Dazu mangelte es ihnen an Einbildungskraft.

Dem unentwickelten Intellekt entspricht eine unentwickelte, aber im ganzen nicht schlecht klingende Sprache. Groß ist scheinbar die Vielsprachigkeit, und fast jeder Stamm hat seinen eigenen Dialekt. Genauere Untersuchung hat aber eine nahe Verwandtschaft aller dieser Sprachen und Dialekte über den ganzen Erdteil hin erwiesen, und alle sind wohl sicher einer gemeinsamen Wurzel


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003