Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Äußere Erscheinung. 233

sondern Menschen durch und durch. Dabei nehmen sie aber unter den tieferstehenden Menschenrassen, die gegenwärtig auf der Erde leben, zusammen mit einigen wenigen anderen eine besonders tiefe Stelle ein. Bei der ersten Bekanntschaft haben fast alle fremden Rassen für uns etwas abstoßendes, seien es nun Neger oder Indianer, Malayen oder Papuas. Bald aber gewöhnt man sich an den Anblick, lernt durch das Fremdartige hindurchsehen und wundert sich über die absprechenden Urteile der Neuangekommenen, denen am menschlichen Antlitz und Körper alles Ungewohnte schlechthin häßlich erscheint. Von einer tierischen Häßlichkeit kann meiner Ansicht nach bei den Australiern nicht die Rede sein. Mir gefallen sogar die Gesichter, die etwas ungemein typisches durch den ganzen Erdteil hin haben, besser als die vieler anderer Menschenrassen, besonders mancher Mongolen, afrikanischer Buschmänner und Eskimos. Häßlich erscheint oft die große Magerkeit der Leiber, vor allem der langen, aber geraden unteren Extremitäten und die geringe Entwicklung der Waden. Übrigens findet man überhaupt kaum bei einer zweiten Rasse eine so gute Ausbildung der Wadenmuskulatur, wie sie der kaukasischen Rasse eigen ist. Die allgemeine Magerkeit der Australier, besonders der gänzlich wilden Stämme, rührt wohl zum großen Teil von ihrer Nahrung her, die sie vorwiegend dem Tierreiche entnehmen. Beuteltiere und Echidna, Vögel, Schlangen und Eidechsen, Schildkröten, Fische, Käferlarven, Vogel- und Reptilieneier, Krebse und Muscheln bilden die eigentliche Grundlage. Menschenfleisch wird von vielen wilden Stämmen in Queensland nicht verachtet, und ein fetter Chinese gilt bei manchen als besonderer Leckerbissen. Während den Männern die Erbeutung der Fleischnahrung obliegt, graben die Weiber in den Scrubs nach eßbaren Wurzeln, suchen Pilze und Palmnüsse, Früchte von Leguminosen, Grassamen, Honig, süßes Harz und Eucalyptus-manna. Nun ist die einheimische Vegetation Australiens außerordentlich arm an eßbaren Früchten und stärkemehlreichen Wurzeln. Was da wild wächst, ist wenig nahrhaft, und die Kultur von Pflanzen irgend welcher Art, Kokuspalmen, Bananen, Taro und Yams, ist den Australiern unbekannt. So ist ihre Magerkeit wohl zum Teil auf ihre vorwiegend animalische, an Stärke und Zucker arme Nahrung zurückzuführen. Wenn den Eingeborenen mehlige Nahrung reichlich zur Verfügung steht, zum Beispiel in manchen Gegenden, wo die Araucaria Bidwilli, der Bunya-Bunya-Baum seine Früchte trägt, oder da, wo sie mit den Weißen in Berührung kommen und von ihnen Mehl und Zucker in reichlicher Menge erhalten, sehen sie viel weniger dürftig aus und mancher wird ganz wohlgerundet und fett. Unter


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003