Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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230 Im Hauptcamp am Boyne.

bedecken Tierleichen und Skelette das Land, ein trostloser Anblick für jeden, der ein Herz in der Brust hat, gänzlicher Ruin für den eben noch wohlhabenden, in kräftigem Aufschwung begriffenen Herdenbesitzer. Augenblicklich (1902 und 1903) haben wieder weite Gebiete des Erdteils durch eine Trockenperiode zu leiden.

Endlich kommt der ersehnte Regen, aber oft kommt auch er nicht als milder, rücksichtsvoller Freund, sondern als zerstörende Naturkraft. Die Flüsse steigen hoch in ihren tief eingeschnittenen Betten, treten über und überschwemmen meilenweit das umliegende Land. Menschen und Vieh vernichtend, Städte zerstörend, die Felder und Weiden mit Sand und Morast bedeckend. Es sind Fälle bekannt, daß die Flüsse 70, ja 93 Fuß (der Hawkesburyfluß am 22. März 1806) über ihren gewöhnlichen Stand gestiegen sind. Eine kleinere Auflage einer australischen Flut habe ich ja selbst im vorigen Jahre erlebt und habe sie oben geschildert. Viel schlimmer aber war die Flutperiode, die jetzt bei meiner Abreise von Queensland begann und zu den schlimmsten gehörte, die die Kolonie überhaupt erlebt hat. Am schwersten wurde der Brisbane- und Marydistrikt betroffen, nicht ganz so schlimm der Burnett, aber bis in den fernsten Norden machten wolkenbruchartige Regen ihren Einfluß geltend. Kurz hintereinander traten drei große Überschwemmungen auf, die dritte, im Februar nach meiner Abreise, die ausgedehnteste und verheerendste. Alle tiefer gelegenen Teile von Brisbane, Tiaro, Gympie, Maryborough und vieler anderer Orte wurden gänzlich zerstört, viele Millionen von Werken, die durch menschlichen Fleiß und menschliche Kunstfertigkeit geschaffen waren, vernichtet. Erdrutsche beraubten die Kolonisten sogar des Grundes, auf den sie gebaut, und versenkten die fruchtbaren Äcker und Pflanzungen, die auf der Höhe des Ufers lagen, in das Flußbett.

In Brisbane erlebte ich zuletzt noch eine große Freude. An der australischen Ostküste kommt der Dugong, ein merkwürdiges Seesäugetier ziemlich häufig vor, über dessen Naturgeschichte ich gelegentlich meines Aufenthalts in Thursday Island noch ausführlicher berichten werde. Sein Fang wird von einigen weißen Fischern in Wide Bay und Moreton Bay auf kleinen Schiffen in bescheidenem Maßstabe betrieben, hauptsächlich um das Fett zu gewinnen, dem man Heilkräfte zuschreibt. Doch haben auch Fleisch, Haut und Zähne einen Wert. Ich hatte mich nun seit meiner ersten Ankunft in Australien bemüht, die Fischer zu veranlassen, Embryonen dieser Tiere, auf die sie gelegentlich beim Öffnen der harpunierten Mutter stoßen sollten, gegen hohe Bezahlung für mich in Alkohol zu


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003