Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Dürren und Überschwemmungen. 229

sehr selten, und es ist bemerkenswert, daß die große Mehrzahl der Fälle zur Heilung kommt. Auch heilen nicht zu weit gediehene Fälle, die aus andern Erdteilen kommen, hier meist aus. Malaria ist fast unbekannt und nur auf den äußersten Norden beschränkt. Gelbes Fieber und Cholera kommen nicht vor. Die Trockenheit ist in manchen Teilen des Innern so groß, daß sich hier wasser- und vegetationslose Wüsten finden. Große Strecken Landes sind mit undurchdringlichem Mallee-Scrub oder endlosen Steppen des messerscharfen Spinifexgras (Triodia irritans) bedeckt, die keinem höheren Geschöpf zum Aufenthalt und zur Nahrung dienen können und fürchterlicher sind als wirkliche Wüsten. Die Küstengegenden dagegen haben eine im Jahresmittel durchaus zureichende Regenmenge, um eine reiche Vegetation zu entfalten und unter Kultur einen hohen Bodenertrag zu liefern. Gewisse Teile der Ostküste, so die besonders von Deutschen kolonisierten Darling Downs bei Toowoomba in Südqueensland, halten an Fruchtbarkeit den Vergleich mit berühmten Acker-, Wein- und Weideländern andrer Erdteile aus. Selbst im Innern gibt es weite Strecken, die trotz ihrer Trockenheit eine reiche Vegetation anspruchsloser Salz- und Fettpflanzen hervorbringen, eine nahrhafte und gesunde Weide der zahllosen Schafherden.

Viel schlimmer als die Spärlichkeit der Regenmenge im Jahresmittel ist ihre ungleiche Verteilung in den verschiedenen Monaten, ja in mehrjährigen Perioden sehr wasserreicher und sehr wasserarmer Jahre. Diese Unregelmäßigkeit des Regenfalles ist eine charakteristische Besonderheit des australischen Kontinents. Am ausgeprägtesten ist sie an der Ostküste und im Innern, etwas weniger tritt sie an der Süd- und der Westküste hervor. In Sydney variiert die jährliche Regenmenge von 22 bis 82 Zoll. Lake George war im Jahre 1824 30 Kilometer lang und 12 Kilometer breit Allmählich trocknete er ganz aus und bildete im Jahre 1837 eine grasbewachsene Niederung. Dann füllte er sich wieder und war im Jahre 1865 17 Fuß tief. Zwei Jahre später war er nur 2 Fuß tief. Im Jahre 1876 war er wieder 30 Meilen lang und ungefähr 20 Fuß tief.

In Intervallen von fünf bis zehn bis zwanzig Jahren wird bald dieser, bald jener Distrikt von Trockenperioden betroffen, die ein, zwei, ja drei Jahre andauern und das Land in eine vollkommene Wüste verwandeln können. Kein Tropfen Regen fällt dann, die Flüsse trocknen aus, das Gras verdorrt, das Vieh verdurstet, oder, wenn noch stehendes Wasser da ist, verhungert. Wohin man sich wendet,


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003