Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Der Tropengürtel eine Schranke für die Verbreitung der Schwanzlurche. 2 I 7

Südafrika, noch Südamerika, noch Australien. Sie sind dort also nicht etwa erst ausgestorben, sondern haben niemals in diesen Teilen existiert. Ihre ältesten Vertreter finden wir in der unteren Kreide von Belgien, dann folgen Formen im Eocän von Frankreich und Nordamerika. Gibt uns nun zwar die Erdgeschichte bisher über die erste Entstehung der geschwänzten Amphibien keine befriedigende Antwort — zwischen ihnen und den primitiven Stegocephalen besteht dem Baue nach eine bedeutende Kluft, und die letzteren sterben in der Trias aus, während die ersteren, soviel wir bis jetzt wissen, erst in der Kreide auftreten, sodaß in der Juraperiode scheinbar eine Unterbrechung im Vorhandensein der Amphibien stattfindet: soviel ist sicher, daß die Schwanzlurche auch fossil nur auf der nördlichen Erdhälfte gefunden werden, und daß sie hier auch entstanden sind. Über sie haben sie sich in ihrer ganzen Ausdehnung verbreitet. Im Gegensatz zu den später entstandenen Froschlurchen werden sie aber gegen den Wendekreis des Krebses zu immer spärlicher und verschwinden in den Tropen mit einigen Ausnahmen ganz. Der Tropengürtel hat für sie eine unübersteigbare Schranke gebildet. Um die ihnen zusagenden gemäßigten Klimate der südlichen Hemisphäre erreichen zu können, hätten sie diesen Gürtel durchbrechen müssen, und das war ihnen nicht möglich. Wo immer wir sie eingedrungen finden, geschah dies, indem die kühle Kammhöhe gewaltiger Bergzüge eine ihrem Kältebedürfnis genügende Straße gewährt hat. So ist das Vorkommen einer Molchart, Amblystoma persimile, in Siam, in den hohen Gebirgen von Laos, einem Ausläufer des Himalaya, einer andern, Tylotriton verrucosus, in der chinesischen Provinz Jünnan am Südostabhange des Himalaya, zu erklären. Von Nordamerika aus dringen die Schwanzlurche, auf dem kühlen Hochplateau fortschreitend, welches das Rückgrat von Mexiko bildet, bis in die Tropen hinein. Die Seen dieses Hochplateaus bilden den Aufenthalt des bekannten und biologisch hochinteressanten Axolotl (Amblystoma). Außer ihm kommt hier nur noch die Gattung Spelerpes vor, die über Mexiko hinaus bis nach Mittelamerika, ja nach Süden bis in die Bergländer von Columbia, Ecuador und Nordperu gedrungen ist1), indem ihr bei diesem Vordringen fast überall hohe Bergzüge und kühle Hochebenen zur Verfügung standen. Der Vorstoß dieser einen Gattung an dieser einen besonders günstigen Stelle über den Äquator hinaus ist deshalb kein Einwand gegen unsre

l) Spelerpes adspersus und parvipes in Columbia, Spelerpes altamazonicus in Nordperu. Eine Art, Spelerpes infnscatus, kommt auf den Antillen (Haiti) vor.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003