Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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216 Im Hauptcamp am Boyne.

Gelegentlich unserer Wasserarbeit wurde manche seltene, oder auch neue Form von Süßwasserschwämmen, Krebsen, Schnecken und Muscheln erbeutet. Mit der Aufzählung dieser Dinge will ich aber den Leser verschonen. An Amphibien war diese Gegend nicht besonders reich. Ich sammelte vier Arten von Fröschen, eine Krötenart, fünf Arten Laubfrösche. Schwanzlurche wie unsere Feuersalamander; Wassermolche, Olme, der japanische Riesenmolch, der mexikanische Axolotl waren aber nirgends zu finden. Sie fehlen in der ganzen australischen Region, im tropischen und südlichen Afrika, im gemäßigten Südamerika, kurz mit einigen gleich zu erwähnenden Ausnahmen auf der ganzen südlichen Hemisphäre. Diese Verbreitung ist sehr merkwürdig, wenn man bedenkt, daß die ausgestorbenen Stegocephalen, die von der Kohlenformation bis hinein in die obere Trias gelebt haben und als die ursprünglichsten Amphibien zu betrachten sind, in allen fünf Erdteilen und ebensowohl in den südlichen als den nördlichen Teilen der Erde gefunden worden sind. Ebenso finden sich die ungeschwänzten Amphibien oder Froschlurche auf der südlichen Hemisphäre in nicht geringerer Verbreitung als auf der nördlichen; ihre reichste Entfaltung zeigen sie in den Tropen der alten wie der neuen Welt.

Ich habe mir auf meinen Reisen in den afrikanischen und asiatischen Tropen und in der australischen Region öfters die Frage vorgelegt, was wohl die eigentliche Ursache dieser eigentümlichen Verteilung der Schwanzlurche auf der Erde sein mag, die wir bei keiner andern größern Abteilung des Tierreichs wieder finden. Ich glaube den Grund gefunden zu haben in der sehr großen Empfindlichkeit der Schwanzlurche gegen höhere Temperaturen. Alle lieben sie die feuchte Kühle. Steigt im Hochsommer die Temperatur ihrer Wohngewässer, so verlassen die Molche dieselben und verkriechen sich in Verstecke unter Steinen und im kühlen Erdreich. Stellt man ein Wassergefäß mit gefangenen Tritonen in die heiße Sonne und verhindert die Tiere am Herauskriechen, so genügt eine halbe Stunde, um die ganze Gesellschaft zu töten, während Frösche sich in denselben Behältern ausgezeichnet wohl befinden. Wo immer Schwanzlurche vorkommen, da bevorzugen sie kühle Waldverstecke, Gebirgs-wässer, die sich nicht allzusehr erhitzen. Kälte bis zum Einfrieren, Wassermangel bis zum Eintrocknen halten sie ausgezeichnet aus; Erwärmung können sie durchaus nicht vertragen.

Nun geben uns die geologischen Tatsachen mit Sicherheit Aufschluß darüber, daß die Schwanzlurche auf der nördlichen Hemisphäre entstanden sind. Denn fossile Reste von ihnen finden sich weder in


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003