Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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198 Rückkehr an den Burnett.

Hirsche in Australien dafür, daß dem Dingo bei seiner Einwanderung Hilfsmittel zu Gebote gestanden haben, die jenen fehlten, und es liegt äußerst nahe, sich als dies Hilfsmittel das Eingreifen des Menschen zu denken, der seinen halbwilden Jagdgenossen mit hinüber brachte. Freilich würde der Sinn dieser Annahme wieder gänzlich hinfällig, wenn man als Weg der menschlichen Einwanderung von Indomalayia nach Australien eine tertiäre oder pliocäne Landbrücke annehmen wollte, wie neuere Autoren es getan haben. Warum hätten andere höhere Placentalier wie Hirsche und Schweine jene Brücke dann nicht benutzt? Die große Tatsache der langen Isolierung Australiens von den ändern Regionen steht fest und läßt sich durch unzählige zoogeographische Details erhärten. Ausnahmen von der allgemeinen Regel, wie das isolierte Auftreten des Dingos müssen eine Erklärung finden, ohne den Sinn der Regel durch eine Annahme wie die einer pliocänen Landbrücke wieder gänzlich aufzuheben. Wenn man dafür eintritt, daß der Mensch wahrscheinlich den Hund in Australien eingeführt hat, so tut man es doch nur, um eine isolierte und an sich unverständliche Ausnahme einer allgemeinen Regel zu erklären, und man tut es, weil man annimmt, daß Menschenwitz und Menschenlist schon in grauer Vorzeit Mittel und Wege zu finden wußte, die andern Geschöpfen verschlossen sind.

Erdteilen geradezu revolutionieren müßte, wenn die de Vis'sche Deutung sich als richtig erweisen würde. De Vis beschreibt einen Backzahn und mehrere Schneidezähne, die, an verschiedenen Lokalitäten der Darling Downs in Queensland gefunden, von ihm als zusammengehörig betrachtet und als fossile Reste eines »postpliocänen Artiodactylen«, den er Prochoerus celer nennt, gedeutet werden. Nach de Vis soll dieser vermeintliche Artiodactyle dem amerikanischen Genus Dicotyles (Peccari) viel näher stehen als dem eurasischen Wildschwein vom Genus Sus, das bekanntlich bis in die nächste Nähe Australiens, nach Neu-Guinea, gedrungen ist, sich aber weder lebend noch fossil auf dem australischen Kontinente findet. Es würde mich zu weit führen, hier darzulegen, vor was für ein Rätsel die Zoogeographen gestellt sein würden, wenn diese Deutung richtig wäre. Die Paläontologen haben fast durchgehend die de Vis'sche Publikation ignoriert. Weder in den Handbüchern der Paläontologie noch in Spezialarbeiten ist, soweit mir bekannt, auf sie Bezug genommen. Nur Jack und Etheridge erwähnen sie in ihrer Geology and Palaeontology of Queensland and New Guinea, Brisbane 1892, p. 682. Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes erschien es mir nicht richtig, die Angelegenheit mit Stillschweigen zu übergehen. Ich hatte Gelegenheit, einige der ersten deutschen und englischen Autoritäten in Säugetierpaläontologie zu konsultieren, die übereinstimmend der Ansicht waren, daß absolut kein Grund vorliege, diese Zähne einem postpliocänen Artiodactylen zuzuschreiben. Einer der besten Kenner fossiler Säugetiere, Herr Dr. Schlosser, erklärte, aus dem, was von Schneidezähnen gefunden sei, ließen sich überhaupt keine Schlüsse ziehen. Die Zugehörigkeit dieser Zähne zu dem Backzahn ist ja überhaupt ganz problematisch Dessen sei er sicher, daß der Backzahn keinem Suiden angehört habe. Es sei in erster Linie an einen, in seiner Bezahnung stark spezialisierten fossilen Marsupialier, in zweiter auch an den Zahn eines Vertreters der Sirenia zu denken.


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003