Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Naturgeschichte des Dingos. 197

durch die Mitwirkung des Menschen über die Inseln der Torresstraße hin erreicht. Er wird dort viel seltener in verwildertem Zustande gefunden als in Australien.

Gegen die Annahme, der Dingo sei von der Urbevölkerung bei ihrer Einwanderung in Australien mitgebracht worden, hat man eingewendet, daß fossile Dingoreste mit den Skeletten von jetzt ausgestorbenen Riesenbeuteltieren (Thylacoleo, Diprotodon) und von jetzt vom Kontinente verdrängten Raubbeutlern (Sarcophilus) in einer Weise vergesellschaftet gefunden worden sind, daß an ihrer Zeitgenossenschaft kaum gezweifelt werden kann. Menschliche Skelettreste hat man nun in Gemeinschaft mit jenen Fossilien bisher noch nicht gefunden. Aber ist das etwa beweisend für die Abwesenheit des Menschen zu jenen Zeiten, die von der Mehrzahl der Paläontologen als pleistocäne, höchstens pliocäne angesehen werden? Wie selten werden in dem doch viel besser durchforschten Europa menschliche Skelettreste an Stellen gefunden, wo es von Resten ausgestorbener Tiere, die dem Urmenschen als Jagdbeute gedient haben und noch die Spuren seiner Steinmesser und Beile an sich tragen, wimmelt. Ich brauche den Kundigen nur an Taubach und Schussenried zu erinnern. Der Mensch, selbst der Urmensch der Steinzeit, nimmt im Gegensatz zum Tiere ein Interesse an den Leibern seiner verstorbenen Artgenossen und entzieht sie dadurch vielen äußeren Einflüssen, die in günstigen Fällen auch konservierend, nicht zerstörend wirken können.

Übrigens wird gerade in neuester Zeit aus Australien (Warnambool in Victoria) ein Fund gemeldet, der auf ein sehr frühes Auftreten des Menschen in Australien zu deuten scheint. Es handelt sich um Sandsteinplatten, die man für tertiär hält, mit charakteristischen Fußspuren des Menschen, vergesellschaftet mit denen des Dingo, des Emu und anderer Tiere. Wird durch ein genaueres Studium der Ablagerung ihr tertiärer Charakter sichergestellt, so wäre dadurch das sehr frühe Auftreten des Menschen in Australien bewiesen, es ergäbe sich, daß er bei seiner Ankunft daselbst die Riesenbeutler wie Thylacoleo, Diprotodon usw. noch lebend angetroffen hat, und die Vermutung fände eine Stütze, daß er — sowie wohl auch der Dingo - an ihrer Ausrottung aktiv teilgenommen hat, ganz ähnlich wie es wohl auch der europäische Urmensch den riesigen Placentartieren Europas gegenüber getan hat.

Aber abgesehen von diesem noch nicht eindeutigen Funde spricht das Fehlen so kosmopolitischer Placentalier wie der Schweine1) und

1) Im Jahre 1886 hat C.W. de Vis in den Proceedings of the Royal Soc. of Queensland (Vol. III 1886, S. 42—47, Plate I) einen fossilen Fund beschrieben, der unsre Auffassung von den zoogeographischen Beziehungen Australiens zu den übrigen


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003