Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Zauber der Mondnacht.

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Beispiel so hell, daß wir bequem die Schrift lesen können. Dagegen ist jenes Licht doch nicht stark genug, um indirekt, vom Himmel oder Erdboden reflektiert, als diffuses Licht eine merkliche Wirkung hervorzurufen. Das diffuse Licht bewirkt aber, daß wir bei Tage auch die nicht direkt von der Sonne beschienenen, im tiefsten Schatten befindlichen Flächen der Gegenstände genau erkennen können. Die Schwärze des Schattens am hellen lichten Tage ist nur eine scheinbare, durch den Kontrast hervorgerufene; eine Menge diffusen Lichtes durchdringt auch ihn. Daher die durchdringende Klarheit des Tages. Anders im Mondlicht. Hier ist das diffuse, reflektierte Licht so schwach, daß die nicht bestrahlten Flächen beinah lichtlos und ihre Details unsern Augen gänzlich unkenntlich sind. Das charakteristische der Mondbeleuchtung ist also weniger die vom Sonnenlichte verschiedene Farbe, obwohl auch diese uns eigentümlich berührt, als der Mangel des diffusen Lichtes, die fast absolute Lichtlosigkeit der Schatten. Wir sehen beispielsweise im Baumschlag die Flächen, die vom Mondlichte getroffen werden, sehr scharf und deutlich, die abgewandte Fläche ist dagegen in vollkommenes Dunkel gehüllt. Von Jugend auf an die Effekte des Tageslichts gewöhnt, erscheint uns das wundersam, zauberhaft, ganz besonders wenn wie in den Tropen die im Scheitel stehende Lichtquelle bei gewöhnlicher Kopfhaltung nicht wahrgenommen wird.

Aus diesen Gründen ist es auch sehr schwierig, im Mondlichte sichere Schüsse abzugeben, weil man das Korn des Visiers nur dann deutlich sieht, wenn man gegen den Mond zielt, so daß es direkt beschienen wird. Dieser Methode bedienten wir uns, um die zahlreichen Opossums zu schießen, die nachts im Gezweig der Euca-lyptusbäume ihr Wesen trieben. Tags über schlafen diese Tiere in Baumhöhlungen und Astlöchern. Nach Sonnenuntergang erwachen sie und klettern mit der Sicherheit der Eichkätzchen, aber langsamer als diese, an den Stämmen auf und ab und springen in den Ästen umher. Ihre Nahrung besteht außer gelegentlich erbeuteten Kerbtieren, Eiern, jungen Vögeln vorwiegend aus grünen Pflanzenteilen der Eucalypten und diese verleihen dem Wildbret einen eigentümlichen, widrigen Geschmack, so daß man es nur im Notfall benutzt, um seinen Hunger zu stillen. In Coonambula machten sich die 'Possums zeitweise dadurch unliebsam bemerklich, daß sie die Weinstöcke im Garten besuchten und die ganz kleinen unreifen Weinbeeren mit Leidenschaft fraßen, während sie später die großen und reifen Beeren in Ruhe ließen. Wir töteten in einer Mondnacht im Garten zwölf Stück. Das Pelzwerk ist schön, dicht und dabei leicht,


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003