Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Rückkehr an den Burnett.

als bei jedem zivilisierten Menschen, bei dem diese geistigen Fähigkeiten nicht nur weniger geübt, sondern sogar zu Gunsten anderer bis zu einem gewissen Grade unterdrückt und verkümmert sind.

Auf einer Seereise lernte ich einmal einen Schiffsingenieur kennen, der sich seines Ortssinnes zu rühmen pflegte und behauptete, er wäre im stande, wenn man ihn in einer ihm unbekannten großen Stadt kreuz und quer herumführte, jederzeit in gerader Linie auf den Ausgangspunkt zurückzukehren. Er hat aber die Probe nie gemacht und natürlich war das alles eitel Prahlerei und Dunst. Der alte Jimmy war bescheidener und klüger.

Herrlich waren um diese Zeit die Nächte im Busch. Die volle Scheibe des Mondes stand fast senkrecht über unserm Scheitel und übergoß Höhen und Senkungen, die mit gerundeten Granitblöcken bedeckten Ufer der stillen Wasserläufe, die hohen lichten Gestalten der Eucalypten und die düstere, dicht gedrängte Baumgemeinde der Scrubs mit ihrem silbernen Lichte. Eine Mondnacht in den Tropen hat in der Tat etwas zauberhaftes. Der Gewalt dieses Eindruckes kann sich keiner entziehen, auch der nicht, der sich von der Tropenlandschaft sonst enttäuscht fühlt und einen mitteleuropäischen Laubwald den immergrünen Urwaldriesen und den Palmenhainen Indiens vorzieht. In Mitteleuropa steht gerade im Sommer, wenn die laue Nachtluft uns den längern Aufenthalt draußen gestattet, der Mond tief am Himmel, nahe am Horizont und verweilt nur wenige Stunden über demselben. In den Tropen steht er meist die ganze Nacht hindurch über uns im Zenith; doppelt hell strahlt dann sein Licht, und da wir die Lichtquelle bei gewöhnlicher Kopfhaltung nicht wahrnehmen, glauben wir in einem Zauberwald zu wandeln. Die ragenden Eucalypten stehen im weißen Glänze da, fast ohne Schatten zu werfen; jede Linie, jedes Blatt zeichnet sich ab, und doch fehlt die durchdringende Klarheit des Tages und eine geheimnisvolle Undurchdringlichkeit liegt über der lichtbeglänzten Landschaft. Wäre ich ein Dichter, so würde ich versuchen, den Eindruck dieser Landschaft auf das menschliche Gemüt zu schildern. Als Naturforscher habe ich aber den Drang zu analysieren und so frage ich: wie kommt dieser eigentümliche Effekt, dieses Geheimnisvolle, Magische der Mondlandschaft zu stände, die der Grund gewesen ist, daß Volkssage und Dichterphantasie gerade die Mittsommernacht mit den zarten Gestalten der Blumenelfen bevölkert hat? Die Antwort auf diese Frage ist nicht schwer. Der Effekt ist deshalb ein so eigentümlicher, weil das Mondlicht in klaren Nächten zwar hell genug ist, die Flächen, die es direkt trifft, sehr hell zu beleuchten, ein aufgeschlagenes Buch zum


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003