Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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182 Rückkehr an den Burnett.

Die Schwarzen gaben mir übereinstimmend an, daß die Alte zunächst noch einige Zeit lang zum Jungen zurückkehrt, um es in den Beutel aufzunehmen und zu säugen. Wenn sie nachts ihren Streifereien nachgeht, entledigt sie sich der beträchtlichen, ihr unbequem werdenden Last, indem sie für das Junge eine kleine Höhle gräbt, zu der sie nach beendigter Streife wieder zurückkehrt. Daß sich das wirklich so verhält, kann man aus den frischen Spuren der Alten in der Nähe des Lagers des Jungen und auch daraus entnehmen, daß der Magen und Darm solcher Jungen Milch enthält.

Wir beobachten also bei diesem niederen Säugetier ebenso wie bei dem verwandten Schnabeltier eine ausgeprägte Brutpflege, die sich ähnlich wie bei den Beuteltieren über die Zeit hinaus ausdehnt, während welcher das Junge dauernd im Beutel getragen wird.

Meine Beobachtungen der Fortpflanzung und Entwicklung der Monotremen, von denen ich freilich an dieser Stelle nur einige kurze Auszüge geben konnte, haben die Anschauungen vollauf bestätigt, die man sich bisher, fast ausschließlich auf vergleichend-anatomische Tatsachen gestützt, von der Stellung dieser Geschöpfe im zoologischen System gemacht hat. Es sind Tiere, die primitiver gebaut sind, als die übrigen Säugetiere. Der Säugetiercharakter ist aber doch schon so deutlich ausgeprägt, daß über ihre Zuteilung zu dieser Klasse überhaupt kein Zweifel obwalten kann.

Daneben bestehen aber sowohl im Körperbau als auch in der Fortpflanzung und Entwicklung so viele und wichtige Übereinstimmungen mit Reptilien und Vögeln, daß die alte Ansicht, die Monotremen seien ein Bindeglied, ein »missing link« zwischen den letzteren Gruppen einerseits, den Säugetieren andererseits, wohl begründet erscheint, wenn auch zuzugeben ist, daß dieses Glied nicht genau in der Mitte der Reihe liegt, sondern entschieden nach der einen Seite, der Säugetierseite hinneigt.

Ja, diese Mittelstellung tritt auch noch in einer physiologischen Beziehung zu Tage. Schon durch die Untersuchungen des russischen Naturforschers Miklouho-Maclay war bekannt geworden, daß beide Monotremengattungen eine niederere Körpertemperatur besitzen, als alle übrigen Säugetiere. Eine größere Anzahl von Messungen, die ich an Ameisenigeln anstellte, ergaben ferner die überraschende Tatsache, daß ihre Temperatur in viel weiteren Grenzen schwankt, als die der höheren Säuger. Während bei letzteren unter normalen Verhältnissen die Temperatur nahezu konstant ist und höchstens um Bruchteile von Graden schwankt, scheinen bei den Monotremen Schwankungen von 7° C., 8° C. und mehr vorzukommen. Ein


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003