Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Geistige Fähigkeiten der Ameisenigel. 177

leicht hinaus, lose aufgelegte Kistendeckel werden herabgeworfen, leicht zusammengenagelte Kisten, deren Bretter nicht überall dicht gefügt sind, vermittels der kräftigen Extremitäten gesprengt. Da ich den Schwarzen nur für lebende Exemplare den vollen von mir festgesetzten Preis bezahlte, und die Leute von ihren weiten Streifereien nicht immer noch an demselben Tage zu meinem Lager zurückkehren konnten, mußten sie häufig die Tiere über Nacht gefangen halten, ohne natürlich zu diesem Zwecke passende Behälter mit sich führen zu können. Wurden die Tiere nun mit starken Schnüren an einem oder zwei Beinen gefesselt, so gelang es ihnen über Nacht fast regelmäßig, die Bande abzustreifen, so fest dieselben auch zugeschnürt sein mochten. Auf ihre eigene Haut nahmen die Tiere dabei nicht die geringste Rücksicht. Die Schwarzen waren über die ihnen hieraus erwachsenen Verluste sehr ungehalten und halfen sich damit, daß sie die Beine der Tiere durchbohrten und die Schnüre durch die Wunde zogen. Das war denn ein sicheres Mittel, aber so grausam, daß ich seine Anwendung untersagte, als ich davon erfuhr. Ich gab dann den Schwarzen kleine Säcke mit, in die sie die Tiere über Nacht einbinden konnten. Waren die Säcke dicht und wurden sie sorgfältig zugebunden, so erfüllten sie ihren Zweck; waren die Schwarzen aber mit dem Zubinden leichtsinnig, so gelang es dem willensstarken Ursäugetier über Nacht, die ersehnte Freiheit zu erkämpfen.

Bei einer derartigen Gelegenheit konnte eine interessante Beobachtung über den Ortssinn der Ameisenigel gemacht werden. Ein gefangener Ameisenigel wurde aus seinem Scrub 6 Kilometer weit bis zu meinem Lager in einem Sack getragen. Über Nacht gelang es ihm, sich zu befreien. Einer meiner Schwarzen ging seinen Spuren nach, die in gerader Richtung zu dem fast eine Meile entfernten Punkte führten, an dem das Tier gefangen worden war. In der Nähe der alten Fangstelle fand es sich denn ruhig schlummernd in einer selbstgegrabenen Höhle. Erwägt man, daß das Tier in einem Sack in mein Lager getragen worden war, und daß es in gerader Richtung zu seinem alten Aufenthalt zurückging, so liegt es am nächsten, an den Geruchssinn zu denken, von dem sich das Tier zurückleiten ließ. Besonders in der Brunstzeit verbreiten beide Geschlechter einen ausgesprochenen Geruch, der wohl zum gegenseitigen Auffinden der Geschlechter und zur sexuellen Erregung dienen mag. Er ist es auch, der dem Fleisch der in der Haut gerösteten Tiere den eigentümlichen Beigeschmack verleiht.

Von großem Interesse und Gegenstand vieler wissenschaftlicher Diskussionen ist seit langem der mächtige Sporn nebst zugehöriger


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003