Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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178 Rückkehr an den Burnett.

Sporndrüse gewesen, den das Männchen von Echidna sowohl wie von Ornithorhynchus an der Innenseite der Hinterfüße trägt. Auch viele Weibchen von Echidna, die ich untersucht habe, besaßen den Sporn in rudimentärer Ausbildung. Nicht einer unter den Hunderten von Ameisenigeln, die ich lebend in Händen gehabt habe, hat jemals versucht, sich des Sporns als Waffe zu bedienen. Die Waffe der Echidna ist das Einrollen und das Eingraben, ein Schutz, der stark genug ist, um das vorsichtige Tier vor den Nachstellungen fast aller Verfolger sicher zu stellen. Nun haben allerdings neuere Untersuchungen von Martin und Tidswell den experimentellen Nachweis geliefert, daß das Sekret der Sporndrüse bei Ornithorhynchus wenigstens in gewissen Jahreszeiten giftig ist. Das Gift, wie das Schlangengift ein Proteinkörper, zeigt auch sonst noch bemerkenswerte Analogien zum Schlangengift; das Präparat, das sich Martin und Tidswell hergestellt hatten, wirkte aber fünftausendmal schwächer als dieses. Letztere Tatsache, zusammengenommen mit Bennetts und meinen Erfahrungen an lebenden Tieren, scheint mir die Auffassung des Spornapparats als Verteidigungswaffe gegen die Angriffe von Feinden klar zu widerlegen. Vielleicht haben Martin und Tidswell mit ihrer Vermutung recht, es handle sich um eine Angriffswaffe der Männchen gegeneinander bei ihren Kämpfen um den Besitz der Weibchen während der Brunst. Bisher hat man derartige Kämpfe allerdings noch nicht beobachtet. Hoffentlich ist einmal ein glücklicher Zufall so gefällig, den Schleier zu lüften, der uns bis jetzt noch die Hochzeitszeremonien der niedrigsten Säugetiere verhüllt.

Die Monotremen haben in jedem Jahre nur eine Brunst. Für Echidna gilt die Regel, daß jedesmal nur ein einziges Ei befruchtet wird und sich weiter entwickelt. Unter sechzig trächtigen Weibchen, die ich untersucht habe, fand ich nur ein einziges Exemplar mit zwei Jungen. Der rechte Eierstock und der rechte Eileiter trägt äußerlich bei den Monotremen zwar keine Zeichen von Rückbildung wie die entsprechenden Organe der Vögel; ja in der Brunstzeit zeigen beide Gebilde sogar deutliche Vergrößerung und Schwellung, und auch im rechten Eierstock werden Eier gebildet. Dieselben gelangen aber nie zu völliger Reife, und nur die Organe der linken Seite spielen bei der Fortpflanzung eine Rolle. Niemals, weder bei Ornithorhynchus noch bei Echidna, fand ich ein Ei im rechten Eileiter.

Nach erfolgter Befruchtung wird das Ei von einer Schale umgeben und vergrößert sich zunächst noch in dieser Hülle beträchtlich durch Aufnahme von ernährenden Substanzen aus den Geweben der Mutter. Hierdurch unterscheidet es sich von den Eiern der Reptilien


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003