Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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176 Rückkehr an den Burnett.

sind. Dagegen bietet dieser Panzer gegen die zahlreichen Zecken des australischen Busches keinen Schutz, und selten traf ich ein Exemplar ohne diesen Parasiten an. Im Darm von Echidna findet man häufig einen eigentümlichen Bandwurm, Taenia echidnae.

Etwas näher möchte ich nur auf die geistigen Fähigkeiten des niedersten Saugetiers eingehen, über die bisher nur spärliche Beobachtungen vorliegen. Das Gehirn von Echidna ist für ein auf der Stufenleiter so niedrig stehendes Geschöpf auffallend groß; im Verhältnis zur Kürpergröße voluminöser als das der Beuteltiere, außerdem ausgezeichnet durch reichliche Furchen und Windungen seiner Oberfläche.

Es ist ungemein schwierig, einzudringen in das Seelenleben und die Verstandestätigkeit von Geschöpfen, die in ihrer ganzen Organisation noch so bedeutend von der unsrigen abweichen. Es gibt wohl kein zweites Gebiet der Erkenntnis, auf dem es so schwer ist, den anthropozentrischen Standpunkt zu verlassen, als das der Tierpsychologie. Der Schluß, den wir aus dem Gebahren eines Tieres auf seine Intelligenz machen, ist meist ein ganz oberflächlicher, einfach weil wir so häufig die eigentlichen Triebfedern dieses Gebahrens nicht verstehen. Wird sich doch die Außenwelt in einem Geschöpfe ganz anders wiederspiegeln, bei welchem diese Projektion durch andre Pforten erfolgt, bei dem Geruchssinn, Gehör, Gefühlssinn viel vollkommener, der Gesichtssinn ganz anders ausgebildet ist als bei uns. Ein Tier, das sich schwer oder gar nicht an die veränderten Lebensbedingungen der Gefangenschaft gewöhnt, ist deshalb noch nicht notwendigerweise dumm; eines, das auf Reize, die uns stark beeinflussen, nur träge reagiert, noch nicht schlechthin stumpfsinnig.

Eine gefangene Echidna erscheint, wenn wir dennoch einen solchen ganz rohen Maßstab anlegen wollen, in der Tat ziemlich dumm und stumpfsinnig. Eine große Furchtsamkeit verhindert, daß die Tiere eigentlich zahm werden, obwohl sie sich allmählich an ihren Pfleger gewöhnen. Unstreitig ist ihre Intelligenz viel größer als die wohl aller Reptilien, obwohl sie weit unter der der Vogel und höhern Säugetiere und wohl auch unter der der meisten Beuteltiere steht. Auffallend ist ihr ungemein stark ausgeprägter Freiheitsdrang. Der Gefangenschaft suchen sie sich mit allen Mitteln zu entziehen und wenden zu diesem Zwecke eine gewaltige Energie auf. Tags über verhalten sie sich meist ruhig in ihrem Gefängnisse und scheinen ganz in ihr Schicksal ergeben. Bei Nacht aber erwacht in dem scheinbar so lethargischen Tiere eine staunenswerte Regsamkeit und Willenskraft. Aus Kisten klettern sie


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003