Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Die Schwarzen als Jäger. 171

wachsen in Häusern und Dörfern auf, bestellen ihre Äcker und Pflanzungen, sind zuweilen gute Fischer, aber die Jagd auf Landtiere ist bei ihnen nur Nebensache. Um Wild zu erlangen, vereinigen sie sich zu Treibjagden, fangen sie das Wild in Netzen, Fallen und Gruben. Der Australier, der nie für den nächsten Tag denkt, keine andern Nahrungsquellen besitzt, als die ihm der Busch an Wild und spärlichen Früchten jeden Augenblick liefert, bildet in sich die Fähigkeit zur höchsten Vollkommenheit aus, das Wild jeden Augenblick ohne Hilfe andrer, ohne Fangapparate, deren Wirksamkeit dem Zufall unterworfen ist, in seine Gewalt zu bringen; die Treibjagd wendet er nur gelegentlich für größere Tiere, besonders Känguruhs an. Das macht ihn zum unabhängigsten Menschen der Welt, das hindert aber auch jeden Kulturfortschritt bei ihm und zwingt ihn ruhelos über weite Jagdgebiete zu schweifen und sogar durch künstliche Maßregeln und Vorkehrungen zu verhindern, daß er dieselben zu dicht mit seinen Nachkommen bevölkere. Denn nur durch Bodenkultur ist das Land dahin zu bringen, eine dichtere Bevölkerung zu ernähren.

Wenn man die Kinder, besonders die Knaben, beobachtet, so sieht man, wie auch schon in ihren Spielen, in ihren Übungen sich alles darauf richtet, die spätere Tüchtigkeit als Jäger früh auszubilden. Immerfort findet man sie beschäftigt, mit Holzstücken und kleinen Keulen nach allen möglichen Zielen zu werfen, Eidechsen durch ihren Wurf zu töten, junge Vögel und Beuteltiere zu be-schleichen. Auf dem Marsche, während die Weiber und Mädchen die Lasten tragen, erlustigen sich die Knaben fortgesetzt mit allerlei Wurfspielen. Überhaupt wird ihnen alle Freiheit gelassen, und die Kinder beiden Geschlechts werden viel besser behandelt als die erwachsenen Frauen.

Kommt die Familie nach dem Aufbruch vom Camp nach einigen Stunden an ihren Bestimmungsort, so richtet sie sich häuslich ein, es wird Feuer gemacht, gegessen, geruht. Erst nach einigen Stunden beginnt nun die ernstere Arbeit, an der sich außer Ada, die ihrem Mann immer getreulich half, die meisten andern Frauen nicht beteiligen. Begleitet von seinen Hunden, durchstreift der Schwarze den Scrub und sucht nach den Fährten und Grabspuren des Ameisenigels. Hat er eine solche entdeckt, so folgt er ihr unverrückt kreuz und quer, durch Gestrüpp und Dickicht, über Sand, Gras und nackten Fels. Von einer Spur ist vielfach für unser Auge absolut nichts zu entdecken; selbst wenn man uns darauf hinweist, sozusagen mit der Nase darauf stößt, sehen wir nichts. Für das Auge des


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003