Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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164 Rückkehr an den Burnett.

Recht lästig fielen uns in diesem Camp die zahlreichen Ameisen, die rings um uns ihre Wohnungen besaßen und uns fortwährend Besuche abstatteten, um zu sehen, ob es etwas fortzutragen oder zu benagen gab. Die Termiten dagegen waren hier am subtropischen Burnett nicht ganz so zahlreich und lästig als in den nördlicheren, tropischen Teilen von Queensland. Ein großer Ameisenhaufen befand sich nur fünfzig Schritt von meinem Camp, und die geschäftigen Insekten hatten zwischen meiner Wohnung und der ihrigen eine förmliche Straße ausgetreten, auf der es immer von leer ausziehenden und beladen zurückkehrenden Ameisen wimmelte. Da diese nahe Nachbarschaft manches störende hatte, so versuchte ich die Tiere zu vertreiben, ohne die armen Geschöpfe ganz zu vernichten, was ich leicht durch Ausbrennen des Haufens hätte tun können. Ich warf deshalb eine Handvoll von Naphthalinkrümeln auf den Haufen in der sicheren Voraussicht, dies würde einen allgemeinen Auszug veranlassen. Sogleich entstand eine ungeheure Aufregung. Die tapfern Tiere stürzten sich mit Wut auf die ebenso übelriechenden als ihnen gefährlichen Krumen, ergriffen sie mit ihren Kiefern, schleppten sie ein kleines Stück weit fort, ließen sie voll Widerwillen fallen, dann kam eine andere, setzte das begonnene Werk fort, wurde auch abgelöst, bis endlich nach weniger als zwei Stunden auch der kleinste Naphthalinbrocken aus dem Nest entfernt war, und alles wieder seinen gewöhnlichen Gang gehen konnte. Ich beschloß nun ein stärkeres Mittel anzuwenden, um die Tiere zu vertreiben, und warf einige Stückchen Cyankalium auf den Haufen. Dasselbe Bild wie vorher, nur gelang es jetzt nicht, den gefährlichen Stoff zu entfernen, dessen Ausdünstung schon Verderben brachte und dessen Berührung sicher tötete. Dennoch sah ich viele Ameisen den Versuch wagen, sich hinlegen und sterben. Da es dunkel wurde, konnte ich meine Beobachtungen nicht fortsetzen, erwartete aber am nächsten Morgen die Stelle verlassen, die Ameisen mit Sack und Pack abgezogen zu finden. Wie erstaunte ich aber, als ich am nächsten Morgen die ganze Oberfläche des Haufens wie ein Schlachtfeld mit toten Ameisen besät, die Cyankaliumstücke aber verschwunden fand. Mehr als die Hälfte des Volkes hatte in diesem Verzweiflungskampf den Tod gefunden; es war aber dem Todesmute der heroischen Geschöpfe geglückt, unter rücksichtsloser Aufopferung des eigenen Lebens das Gift, dessen Berührung ihnen ebenso unangenehm sein mußte als es ihnen gefährlich war, aus ihrer Vaterstadt zu entfernen, indem sie es Millimeter für Millimeter fortschafften und jeden Schritt mit einer Leiche bedeckten. Außerhalb des Haufens wurde es dann wohl mit Blättern und


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003