Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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162 Rückkehr an den Burnett.

langsam bis auf fünfzehn Schritt heran und musterten uns dummdreist und neugierig. Ein andermal ließ mich ein halbwüchsiger Emu bis auf achtzig Schritt herankommen und trabte dann erst mit langen Schritten fort. Ich verfolgte ihn auf meinem flüchtigen Pferde und hetzte ihn eine viertel Stunde lang über Stock und Stein. Als ich ihn fast eingeholt hatte, wurde das Terrain so koupiert, daß der Vogel wieder Vorteil über das Pferd gewann und entkam, zum Teil auch deshalb, weil mir nichts an der Beute lag und ich mein Pferd schonen wollte.

Von den sechs Küken, die mir von den Schwarzen gebracht worden waren, tötete ich vier sofort und konservierte sie sorgfältig. Zwei ließ ich leben und hielt sie fast drei Monate lang als Hausgeflügel in meinem Camp. Nachts über trieben wir sie immer in eine kleine Umzäunung; bei Tage konnten wir sie bald frei herumlaufen lassen, ohne daß es ihnen einfiel zu entweichen. Sie waren zahm wie Hühner und zum Spielen aufgelegt wie junge Hunde. An allem Auffallenden pickten sie herum, selbst an den Pfoten, Nasen und Ohren unsrer Hunde, von denen sie deshalb mit schelen Augen angesehen wurden. Hinter allem, was sich schnell bewegte, Mensch, Hund oder Pferd, liefen sie her, gleichsam als wollten sie immer mit dabei sein, wenn etwas los wäre. Das Einherlaufen hinter schnell sich bewegenden Geschöpfen ist für die zahmen Emus überhaupt charakteristisch, und diese Eigentümlichkeit wird nicht abgelegt, wenn die Tiere heranwachsen. Ein Squatter erzählte mir, daß ein zahmer Emu, den er auf seiner Station gehalten hatte, in einer Umzäunung ein etwas scheues Pferd fast zu Tode gehetzt hätte. Sobald das Pferd von ihm fortsprang, lief der dumme Vogel hinterher, je ängstlicher jenes forteilte, um so eifriger folgte ihm der langbeinige Läufer, bis sich endlich das arme Pferd gänzlich erschöpft und abgetrieben niederlegte. Dieser Emu machte sich überhaupt so lästig, daß man ihn endlich fortjagen wollte. Er ließ sich aber nicht vertreiben, kam immer wieder und mußte schließlich getötet werden.

Die jungen Emus unterscheiden sich in der Färbung sehr wesentlich von den alten; sie sind nicht einfarbig graubraun wie die letzteren, sondern hübsch gezeichnet, dunkelgrau mit zahlreichen Längsstreifen über Rücken und Seiten. Eine ganz ähnliche Streifung besitzen auch die jungen Kasuare. Diese Streifung der Jungen ist offenbar eine Schutzfärbung. Die Jungen werden häufig von den Adlern und Habichten geraubt, die überall in Australien häufig sind. Die Schwarzen berichteten mir, daß sie sich, sobald sie einen großen Raubvogel über sich kreisen sehen, platt auf die Erde drückten. Ein so großer


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003