Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Fabelwesen. 159

die jungen Stadien in der Gebärmutter selbst zeigte, ließen sie sich überzeugen, und damit war mein Ruf als großer Naturforscher bei ihnen begründet, da sie diesen Nachweis für eine epochemachende Entdeckung hielten, und sie Jedem mitteilten, mit dem sie zusammentrafen.

Jeder Naturforscher wird auf seinen Reisen Erkundigungen über die Lebensweise und das Vorkommen der Tiere des Landes von den Einheimischen, seien es Weiße oder Schwarze, einziehen und kann auf diese Weise wertvolles Material sammeln, wenn er die nötige Kritik übt. Leichtgläubigkeit ist da ebenso unrichtig- als absolute Skepsis. Häufig sind die von weißen oder schwarzen Jägern und Fischern beobachteten Tatsachen von Wert, während die daraus gezogenen Schlüsse irrig sind. Auch den Beobachtungen glaube ich nur dann, wenn sie mir von dem, der sie selbst gemacht hat, berichtet werden, nicht von Hörensagen aus zweiter oder dritter Hand. Am meisten Glauben verdienen Beobachtungen, die unabhängig von Verschiedenen gemacht und berichtet werden, aber das beste bleibt doch immer, mit eigenen Augen zu sehen, denn manchmal werden einem ganz fabelhafte Dinge übereinstimmend von den verschiedensten Leuten erzählt und durch eigne Erlebnisse illustriert. Am Burnett spuken Fabeln von wunderbaren Tieren mehr als in andern Teilen Australiens, weil die weißen Ansiedler durch den mehrfachen Besuch von Naturforschern davon Kenntnis erhalten haben, daß bei ihnen ein besonders merkwürdiges Geschöpf, eben der Ceratodus Forsteri lebt, das erst seit kurzem entdeckt ist. Wo es ein solches Wunder gibt, denken sie, da müssen wohl noch mehr vorkommen. So erhielt ich denn mehrfach Berichte von Fabeltieren, die ich andächtig mit unterdrücktem Lächeln anhörte. Die Angaben der australischen Schwarzen fand ich immer korrekt, soweit es sich um unmittelbare Beobachtungen handelt. Ihr Hirn ist nicht fruchtbar genug, um neues zu erdichten; nur ein gewisser dumpfer Aberglaube erzeugt eine unklare Vorstellung von bösen Geistern. Dieselben gewinnen aber selten eine greifbare Gestalt, während das höher organisierte Hirn der Weißen körperliche und körperlose Fabelwesen bewußt oder unbewußt erdichtet.

Da ich zu entwicklungsgeschichtlichen Zwecken viele Beuteltiere, besonders Possums erlegen mußte, und es sich nicht lohnte, viele Bälge derselben Art zum Ausstopfen zu präparieren und nach Europa zu nehmen, unternahmen wir es, die Mehrzahl der Felle an Ort und Stelle zu gerben, um sie später als Pelzwerk zu benutzen. Rasch war eine kleine Gerberei hergerichtet. In den Scrubs am Burnett


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003