Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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158 Ruckehr an den Burnett.

Werkzeugen nicht mangelte, konnten wir schon nach, drei Tagen ein fast vier Meter langes, dreiviertel Meter breites, dabei leichtes und handliches Boot aus Kurrajongholz vom Stapel lassen (Abbildung Seite 82).

Da ich hoffte, in dieser Jahreszeit auch reichliches Material von Beuteltierentwicklung erlangen zu können, verfertigten wir eine Anzahl von Fallen und stellten dieselben in der Umgebung des Lagers auf. Wir verwendeten zwei Konstruktionen: Kastenfallen aus meterlangen Stammabschnitten hohler Bäume, die an einem Ende zugenagelt wurden. Am ändern Ende befand sich eine Falltür, die, wenn das Tier im Innern den Köder berührte, herunterfiel und den Ausgang verschloß. Scharfgerösteter Damper erwies sich als der beste Köder. Eine zweite Art von Fallen war anders konstruiert. Ein starkes, mit Steinen beschwertes Brett wird durch einen kleinen Aufbau von drei Hölzchen, der in der Form der Ziffer 4 gleicht, in schräger Stellung über dem Boden stehend gehalten. Der Köder wird an die Hölzchen befestigt, die nur lose ineinander gestellt sind. Rührt ein Tier daran, um den Köder abzufressen, so gleiten die Hölzchen voneinander ab, das Brett fällt um und erschlägt den Nascher. Auf diese Weise habe ich besonders viele »Possums« gefangen oder richtiger erlegt; seltener Bändikuts und Känguruhratten. Die meisten Possums hatten aber schon wieder kleine Beuteljunge, nur sehr wenige bargen noch intrauterine Entwicklungsstadien, auf die ich besondern Wert legte.

Ich muß hier eine sonderbare Vorstellung erwähnen, die ganz allgemein bei allen »Buschmännern« verbreitet ist, und an deren Richtigkeit fester geglaubt wird, als man ehedem an die Bewegung der Sonne um die Erde oder an die Urzeugung der Bakterien und Hefepilze geglaubt hat. Es steht für diese Leute fest, daß die Beuteltierkeime nicht in der Gebärmutter der Alten ihre Ausbildung erfahren wie die Keime andrer Säugetiere, sondern daß sie aus der Brustwarze herauswachsen und dort befruchtet würden, »that they are conceived on the teat«. Diese irrtümliche Anschauung erklärt sich daraus, daß die Intrauterinstadien der Beuteltierentwicklung so klein sind, daß sie einem Laien beim Öffnen der Tiere wohl stets entgehen werden. Das Junge wird in einem ganz unfertigen Zustande als ein halbdurchsichtiges, scheinbar formloses Klümpchen geboren, sofort in den Beutel befördert, und es saugt sich da sogleich so an die Zitze fest, daß es nur schwer abzulösen ist. Die Leute denken deshalb, es sei hier auch entstanden, und keine Überredungskunst kann diese Überzeugung erschüttern. Erst als ich meinen Leuten


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003