Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Wiedersehen der Buschlandschaft. 155

der Scrubs bedeckten sich mit gelben, die tea-trees in den Flußbetten mit roten oder süß duftenden weißen Blüten. Mit ihnen kehrte auch meine alte Vorliebe zurück.

Bekanntlich läßt sich über den Geschmack nicht streiten, und es gibt kein absolutes Maß für das Schöne. Als schön bezeichnen wir im allgemeinen das, was den meisten von uns gefällt. Immerhin ist es gut, sich in diesen Dingen nicht allzu willig dem Majoritätsbeschluß zu fügen. Viele glauben, weil eine Aussicht, ein Kunstwerk weltberühmt und im Reisehandbuch mit zwei Sternen ausgezeichnet ist, auch sie müßten es schön finden, selbst wenn sich bei der Betrachtung nichts in ihrer Brust regt. Die Einbildung wirkt hier sehr stark, und es ist für einen jeden schwer, sich ganz vor Selbsttäuschung zu bewahren. Nun ist allerdings die typische australische Landschaft keineswegs wegen ihrer Schönheit berühmt, ja im Gegenteil, sie wird meiner Ansicht nach unterschätzt. Aber vielleicht war ich in den entgegengesetzten Fehler verfallen und hatte mich in meiner Opposition gegen die landläufige Ansicht verrannt, so daß ich mir vorredete, Schönheiten zu sehen, wo in der Tat nur öde Grasflächen, dünnlaubige, stumpfgefärbte Bäume, wasserlose Flüsse vorhanden waren. Mancher Reisende, der von dem kühngestalteten Neuseeland, dem üppigen Ceylon oder Java kommend einen flüchtigen Blick auf die sonderbare australische Buschlandschaft wirft, wird wahrscheinlich so denken und höchst enttäuscht meine Auffassung für eitel Selbstbetrug oder für Fabelei eines Reiseschriftstellers erklären. Widerlegen kann ich das nicht, nicht einmal mich auf das Urteil der Allgemeinheit berufen. Ich möchte aber hervorheben, daß ich mich gewissenhaft selbst geprüft habe und dauernd behaupte, daß die Landschaft gewisse eigene Reize besitzt, nicht daß sie schlechtweg schön sei.

In Gayndah fand ich, daß Dahlke alles mit größter Sorgfalt und Umsicht vorbereitet hatte. Auf meine Anweisung waren die Einrichtungen so getroffen, daß wir zwei getrennte Camps errichten konnten: ein stationäres am Flusse als Basis aller Operationen und mit der speziellen Aufgabe, die Flüsse nach Ceratoduslaich zu untersuchen. Ferner ein zweites Camp, das die Schwarzen auf ihren Wanderungen begleiten sollte, um das Material von Echidnaentwicklung, in zweiter Linie auch von Beuteltierentwicklung zu ergänzen und zu vermehren. Dahlke stellte mir zwei junge Queensländer deutscher Abstammung vor, die Lust hatten in meine Dienste zu treten und die er als nüchtern, zuverlässig und arbeitsam empfahl: Andrew Wein, den Bruder von Hermann, der im vorigen Jahr bei mir gewesen und im Augenblick


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003