Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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132 Die Flut.

freien Genossen herbeiriefen und dieselben veranlaßten, sich auf den hohen Eucalypten bei meinem Camp niederzulassen und sich mit den Gefangenen zu unterhalten.

Ebenso bemerkenswert und ebenso schön ist eine im Burnett-gebiet häufige Rosellaart, Platycercus palliceps, dessen Gefieder alle Mischungen von hellgelb, citronengelb zu orange und von hellblau zu ultramarin und dunkelblau bis zu braun und schwarz enthält. Noch bunter und noch glänzender ist sein Verwandter, Psephotus pulcherrimus, wohl einer der schönsten Papageien, die es überhaupt gibt, aber deshalb weniger hervortretend als Trichoglossus, weil er sich, wie die Rosella, mehr auf dem Boden als auf den Bäumen aufhält und auch wie jene in kleineren Gesellschaften, nicht in großen Schwärmen zusammenlebt.

Den Preis möchte ich aber nicht diesen vielfarbigen, bunten Formen, sondern einem Papagei erteilen, dessen Gefieder in der Hauptsache nur zwei Farben enthält: Kopf und Nacken, Brust, Bauch und überhaupt die ganze Unterseite sind leuchtend scharlachrot, Rücken und Schwingen dunkelgrün. Der lange Schwanz ist schwarz. Die Farben der Weibchen sind matter und unscheinbarer. Ihre Oberseite, also Kopf und Nacken, sind nicht scharlachrot, sondern ebenfalls grün.

Dadurch, daß das Gefieder des Männchens außer dem herrlich leuchtenden Scharlach keine einzige andre lebhafte Farbe enthält, kommt jenes Rot zu einer Wirkung, wie ich sie bei keinem ändern Vogel kenne. Große Buntheit wirkt auf die Dauer überhaupt weniger stark auf unser Auge als wenige, aber stark miteinander kontrastierende Farben, die auf größere Flächen verteilt sind, wie hier das Grün und Scharlachrot. Nun lebt unser Tier, Aprosmictus scapu-latus, das die Kolonisten mit Recht als den König der Papageien, »king parrot«, bezeichnen, im dichten, düsteren Scrub. Die Akazien und Casuarinen des Scrubs sind niedrig; sie stehen zwar eng beisammen, bilden aber kein undurchdringliches Blätterdach wie die Riesen des tropischen Urwaldes. Weithin sieht man daher das glänzende Rot von Kopf, Brust und Nacken des Königspapageies im düstern Grün leuchten, wenn er aufgescheucht mit langsamem Flügelschlage von einem niederen Baum abstreicht, um nicht fern davon auf einem andern, nicht höheren wieder aufzubäumen. Kein Edelstein kann herrlicher glänzen als dieser leuchtende Vogel in der Monotonie seiner heimischen Wälder. Erlegt man ihn und liegt er tot am Boden, so ist es, als ob ein großer Teil seines Glanzes verblichen sei.

Nicht selten fällt nahe bei meinem Camp ein Schwärm der


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003