Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Schönheit der australischen Vögel. 131

Neu-Guinea und die Molukken, in Betracht zieht, gebührt ihr wohl der erste Preis. Wallace berichtet, daß, wenn er die von ihm gesammelten papuanischen Vögel nach ihrer Schönheit klassifizierte, genau die Hälfte das Prädikat »schön« verdienten. Dagegen konnte er von den auf Malakka ebenso wie von den am Amazonenstrom gesammelten Vögeln nur etwa ein Drittel als »schön« bezeichnen, obwohl doch auch die beiden letzteren Gebiete durch die Menge ihrer schönen Vögel besonders ausgezeichnet sind.

Nun ist allerdings das australische Festland in dieser Beziehung nicht ganz so bevorzugt als das benachbarte Neu-Guinea, so ähnlich sich auch die Faunen beider Länder sind, weil die Gruppe der Paradiesvögel, die an Pracht und Schönheit alles andere weit übertrifft, fast ausschließlich papuanisch ist und nur spärliche Ausläufer (die Gattung Ptiloris) auf das australische Festland hinübersendet. Doch bleibt dem Kontinente noch genug an herrlich gefärbten Formen und diese bilden in den lichten Buschwäldern Australiens einen viel stärker hervortretenden Bestandteil der Landschaft als im papuanischen Urwald. Wie oft habe ich in letzterem die schrillen Rufe der Paradiesvögel, die schreiende Unterhaltung der Papageien, das Kreischen der Kakadus gehört und die Vögel doch nur mit äußerster Anstrengung sehen können, da sie im Dunkel des undurchdringlichen Laubdachs der mächtigen Urwaldbäume trotz ihres Farbenglanzes fast unsichtbar sind. Erst allmählich gewöhnte sich mein Auge, sie dort zu erkennen. Ganz anders ist dies in dem eigentlichen Australien. Wenn sich eine Schaar der pinselzüngigen Keilschwanzloris (meine Leute nannten sie Blue-mountain Parrots), Trichoglossus chlorolepidotus, deren Gefieder und Schnabel in Grün, Gelb, Scharlach und Blaurot in wunderbarer Mischung strahlen, auf einen in Blüte befindlichen Eucalyptusbaum niedergelassen haben, und nun in liebenswürdiger Geschäftigkeit und unter betäubendem Lärm im durchsichtigen Geäst auf und ab fliegen, laufen, klettern, um den Blütenhonig mit ihren Pinselzungen aufzulecken, erst dann erhält man eine Vorstellung von der ganzen Schönheit der Tiere, von der man keine Ahnung hat, wenn man den Gefangenen im engen Bauer oder den ausgestopften Vogel im Museum sieht. Die Landschaft erscheint durch sie belebt und geschmückt zu gleicher Zeit. Mit einem Schuß tötete ich einmal drei und flügelte zwei. Die beiden letzteren hielt ich längere Zeit in einem kleinen Bauer, das ich mir aus einer Kiste zurecht gemacht hatte. Ihre Wunde heilte bald; sie blieben aber immer scheu und ängstlich und bereiteten uns nur dadurch Vergnügen, daß sie oft durch ihre Lockrufe die vorbeistreichenden Schwärme ihrer


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003