Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Durchschwimmen der Ströme. 129

oder hinfälligen Bäume geknickt, die Äste abgerissen und weithin zerstreut, das Ganze sah aus wie ein Trümmerfeld, und hier im Momente durchzureiten, wo der Sturm seine Macht entfaltet und unter den Söhnen des Waldes Musterung hält, hätte fast sichere Vernichtung gebracht.

Gleich nach diesem Besuch von Cooranga begann der Boyne zu steigen und erreichte bald eine solche Höhe, daß seine Überschreitung ebenso unmöglich wurde wie die des Auburn und Burnett. Inzwischen war in unserm Lager das Wasser schon bis auf 10 Fuß nahe gerückt und ich überlegte, ob wir nicht einen noch höher gelegenen Punkt aufsuchen müßten. Wir befanden uns jetzt an den Ufern eines Riesenstromes von 1 1/2 Kilometer Breite und 20 Meter Tiefe, der seine lehmig getrübten, mit Treibholz bedeckten Wasser mit kolossaler Gewalt und Schnelligkeit dahin wälzte. Dabei fort und fort das Rauschen, Knistern und Schaben des tosenden Stromes. Auf diesem Punkte aber hatte für diesmal die Flut ihren Höhepunkt erreicht. Regen und Gewitter hörten zwar nicht auf, wurden aber seltener und schwächer, die Ströme, die so rapid gestiegen waren, fingen ganz allmählich an zu fallen. Während anfangs die ganze Breite des Flusses mit Baumstämmen und Treibholz bedeckt war, begann dies nun seltener zu werden, und man konnte daran denken, ohne allzugroße Gefahr zu Pferde durch die noch stürmisch dahin-brausenden Wasser das andre Ufer zu erreichen. Ich tat dies zu verschiedenen Malen, und zwar pflegte ich den Auburn nahe seiner Mündung in den Burnett zu durchschwimmen, weil er an dieser Stelle etwas weniger reißend war als anderswo. Dahlke brachte in unserm kleinen Boot den Sattel und die Kleider an das andre Ufer, während ich unbekleidet zu Pferde stieg und mit den Sporen, die ich an die bloßen Füße schnallte, das Pferd hindurch trieb. Leider hatten wir unter all unseretl Reitpferden kein einziges, welches ordentlich schwimmen konnte oder wollte. Mein Schamyl zeigte hiergegen die größte Abneigung, er bäumte sich, schlug aus, suchte zu beißen und tat überhaupt alles, um sich gegen die ihm ungebührlich dünkende Zumutung aufzulehnen. Nicht besser schienen die ändern zum Reiten brauchbaren Pferde zu sein, und so mußte ich Schamyl unbarmherzig mit Sporen und Gerte ins Wasser zwingen. Sobald er den Grund unter den Füßen verlor, hörte sein Widerstand auf, er versuchte dann schwimmend das andre Ufer zu erreichen, hatte aber die merkwürdige Gewohnheit beim Schwimmen, solange ich auf seinem Rücken saß, die Nase unter Wasser zu halten, so daß er zweimal um ein Haar ertrunken wäre. Wenn ich sah, daß das Pferd sich allzu dumm


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003