Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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128 Die Flut.

Menschen befinden, dieselben in ihrem Sturz mit vernichten. Kampiert man also längere Zeit an einer Stelle, so ist es immer weise, sich die Bäume in der Umgebung anzusehen, das Camp möglichst frei und nur in der Nachbarschaft gesunder Bäume anzulegen, und ist einmal ein unsicherer darunter, denselben lieber zu fällen oder kranker Äste zu berauben, denn bei den riesigen Dimensionen der Eucalypten genügt schon ein herabbrechender dürrer Ast, um gehörigen Schaden anzurichten.

Inzwischen fingen unsere Vorräte an immer mehr auf die Neige zu gehen. Fleisch mußten wir schon seit mehreren Tagen entbehren und auch der Tee fing an knapp zu werden. Es war vorläufig noch unmöglich, den Burnett oder den Auburn in dieser Gegend zu überschreiten, auch nicht schwimmend zu Pferd wegen des massenhaften Treibholzes. Dagegen bemerkte ich, daß der Boyne weit weniger angeschwollen war als die ändern Flüsse. Wahrscheinlich hatte es in seinem Quellgebiet weniger geregnet. Es gab also eine Möglichkeit, den Boyne aufwärts zu reiten, ihn an einer geeigneten Stelle zu überschreiten und so Cooranga zu erreichen. Es wäre nun eigentlich selbstverständlich gewesen, daß einer meiner Leute diese Aufgabe übernommen hätte. Dahlke würde sich auch keinen Augenblick besonnen haben, aber da er sich vor einem Jahre durch einen Sturz des Pferdes eine schwere Verletzung des Beckens zugezogen hatte, gestattete ich es ihm unter keinen Umständen, den angeschwollenen und gefährlichen Strom zu Pferde zu durchschwimmen. Meine beiden

andern Leute behaupteten überhaupt nicht schwimmen zu können, und so mochte ich ihnen nicht die Zumutung stellen, den reißenden Strom zu Pferde zu kreuzen. Ich mußte also selbst für die nächsten 14 Tage die ehrenvolle, aber nicht angenehme Aufgabe übernehmen, die ganze Gesellschaft mit Proviant zu versehen. Es gelang mir an jenem Tage ohne große Schwierigkeiten nach Cooranga zu kommen, wo mir Herr Turner die tröstliche Versicherung gab, dies sei nur der Anfang der Regenperiode, und wir würden noch zwanzigmal mehr Wasser haben. In Queensland regne es selten stark; finge es aber einmal an, dann könne man sein blaues Wunder erleben. Während er in dieser Weise meine gesunkenen Hoffnungen aufrichtete, bewölkte sich der Himmel von neuem, und ein Gewitter von unbeschreiblicher Heftigkeit, ein Wirbelsturm mit kolossalen elektrischen Entladungen und heftigstem Hagelschlage brach los. Zwei Stunden nachher war alles vorüber und ich konnte meinen Rückritt antreten. Da sah ich denn, was ein richtiges Queensländer Gewitter anrichten kann. Auf Meilen, die ich durchritt, waren überall die schwächeren


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003