Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Eine nächtliche Überraschung. 127

als Gestell des Zeltes zusammengezimmert hatten. Bei näherer Untersuchung fand sich im Grunde jedes dieser Löcher ein kleiner Holzkäfer, der eifrig bei der Arbeit war, das Holzwerk zu minieren. Als ich Dahlke hierauf aufmerksam machte, sagte er ärgerlich: »Da hat der faule Frank Stangen von der »Moreton-Bay Ash« zum Bauen des Zeltes zugetragen, obwohl ich ihm das ausdrücklich verboten habe.« Dahlke erklärte mir, daß, während das Holz der übrigen Eucalypten und Akazien von den Bohrkäfern nicht angegriffen würde, dies mit dem Holze der Moreton-Bay Ash, Eucalyptus tesselaris, geschehe, weshalb man es vermeide, sie zum Zeltbau oder zur Anfertigung von Geräten zu verwenden. Wie furchtbare Holzzerstörer jene Käfer sind, davon konnte ich mich später noch verschiedentlich überzeugen. Einige Spiritusfässer, die, aus europäischem Nadelholz gezimmert, europäischen Alkohol enthielten, wurden von den Tieren geradezu siebartig durchlöchert, so daß sie absolut unbrauchbar wurden, zum Rücktransport von Tieren nach Europa zu dienen. Das Holz dieser europäischen Bäume ist eben gegen diesen furchtbaren Feind nicht so geschützt als das der australischen Eucalypten und Akazien mit Ausnahme von Eucalyptus tesselaris und einigen wenigen andern. Begegnen wir doch häufig im Tier- und Pflanzenreich der Erscheinung, daß, je stärker die Angriffswaffen der Tiere werden, die gewisser anderer Tiere oder Pflanzen zur Nahrung bedürfen, mit um so stärkeren Verteidigungswaffen sich letztere wappnen. Die furchtbaren Stacheln und Dornen schützen die Kakteen vor der Vernichtung durch die großen Vierfüßer in ihrer wüstenartigen Heimat. Sehr komplizierte Schutzvorrichtungen treffen wir bei einer Anzahl von Pflanzen gegen die Angriffe der gefräßigen Schnecken, die sonst wohl bald manche Pflanzenarten ganz ausrotten würden. Zuweilen ist es ein Schutz durch giftige oder übelschmeckende chemische Substanzen, zuweilen ein direkter mechanischer Schutz durch spitze Kristalle von oxalsaurem Kalk oder Ablagerung von Kieselsäure im Innern der grünen Pflanzenteile. Welcher Art das Schutzmittel ist, wodurch die meisten australischen Bäume ihr Holz gegen die Gefräßigkeit der Bohrkäfer schützen, weiß ich nicht, Tatsache ist, daß die meisten Holzarten absolut nicht angegriffen werden.

Ich verbrachte die Nacht, so gut es ging, in einem andern Zelt und wir besserten dann den Schaden am nächsten Morgen aus. Wir begannen aber nun auch die Bäume in unserer Umgebung näher zu mustern. In einer solchen Sturm- und Regenzeit ist es nicht selten, daß alte Bäume während heftiger und andauernder Windstürme zusammenbrechen, und wenn sich zu ihren Füßen ein Camp und


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003