Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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126 Die Flut.

völligen Vollendung des Experiments, indem das Wasser in einer Nacht so hoch stieg, daß es mein kleines Fischreservoir erreichte und die Gefangenen entführte.

Große Mühe machte uns auch die Unterbringung unsres kleinen, selbst gefertigten Bootes. Die Ufer waren zu steil und zu zerrissen, um es über dieselben heraufzuziehen; wir mußten es also im Wasser lassen. Da nun der Fluß jede Nacht so bedeutend stieg, durften wir es nicht in gleicher Höhe mit dem Wasserstand des Abends festbinden, sondern mit einem langen Tau mehrere Meter höher. Ehe wir, durch Erfahrung klug gemacht, diese Vorsicht gebrauchten, waren wir nahe daran gewesen, unser jetzt besonders kostbares Werk zu verlieren.

Die Besserung im Wetter hatte übrigens auch keinen Bestand und vom 10. Dezember an hatten wir wieder so starken Regen wie nur je zuvor. Während in der ersten Zeit nach dem einleitenden Gewitter der Regen tagelang nach Art eines Landregens gefallen war, traten nun wieder Gewitter ein, teilweise von überwältigender Heftigkeit. Am 10. Dezember hatten wir im Laufe des Tages drei, in der Nacht zwei sehr starke Gewitter. Meine Stimmung war nun gänzlich auf dem Nullpunkt angelangt, was bei der lähmenden Untätigkeit und der quälenden Sorge über die Möglichkeit, jetzt noch mein mir gestecktes Ziel zu erreichen, wohl verständlich sein wird. Nachts schlief ich wenig, sondern lauschte auf die Musik des fort und fort auf das Zeltdach niederplätschernden Regens, der die Erreichung meiner Ziele immer schwieriger machte, auf den heulenden Wind und den krachenden Donner. In diese Symphonie verschiedenartiger, mir sämtlich höchst widerwärtiger Laute hinein tönte plötzlich ein heftigeres Krachen ganz in meiner Nähe, und ich merkte, wie auf einmal mein ganzes Zelt in sich zusammensank; zum Glück blieb ein kleiner Hohlraum in der Mitte noch frei und von den nassen Zeltwänden unbedeckt. Es war dies genau die Stelle, an der ich mein Lager aufgeschlagen. Einen Augenblick blieb ich regungslos liegen und suchte mir klar zu machen, was denn eigentlich geschehen sein könnte, dann wand ich mich mit unsäglicher Mühe zwischen den triefenden Zelttüchern hervor und sah, daß die mittlere Querstange des Zeltgestells, die sowohl das eigentliche Zeltdach als auch die »fly« trägt, mitten durchgebrochen war und dadurch den allgemeinen Zusammenbruch verursacht hatte.

Schon seit längerer Zeit hatte ich bemerkt, daß von der Decke meines Zeltes ein feiner Holzstaub niederrieselte. Ich hatte entdeckt, daß derselbe aus kleinen Öffnungen der Stangen herabfloß, die wir


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003