Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Das Wachsen der Ströme.

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und Bäumen, die er auf seiner wilden Fahrt entwurzelt und mitgerissen hatte. Diese Erscheinung, das massenhafte Treibholz, in den Flüssen in der Flutzeit ist für Australien sehr charakteristisch; sie erklärt sich durch die Ansiedlung gewisser Baumarten: Melaleuca, Callistemon, Casuarina im Grunde der gewöhnlich wasserleeren Flußbetten. Bei jeder starken Flut wird ein großer Teil von ihnen entwurzelt und fortgerissen; ein andrer Teil hält sich, bis auch er nach Jahren dem gleichen Schicksal zum Opfer fällt. Zur Zeit solcher Hochfluten erfüllt dann das Brausen des wild angeschwollenen Stromes, das schleifende Geräusch, das die aneinander reibenden und am Ufer dahinstreifenden Baumstämme hervorbringen, weithin die Luft. Durch die mächtigen Hobel wird das Flußbett poliert und erweitert, auch der Flußgrund stark verändert, Wasserlöcher zugeschwemmt, neue Löcher aufgerissen, Bänke flüchtigen Sandes aufgehäuft. Der Anblick dieser wilden mit mächtigen Baumstämmen bedeckten, brausenden und tosenden Flüsse ist imposant und wohlgeeignet, einen wild großartigen Eindruck hervorzubringen. Ich war allerdings zur Aufnahme solcher Eindrücke nicht besonders gestimmt, weil dieses Intermezzo mich nicht nur zwang, tatenlos still zu sitzen, sondern auch geeignet schien, meine Pläne ernstlich zu stören. Auch fing die Situation noch in andrer Beziehung an ungemütlich zu werden. Bisher hatten wir immer vermocht an gewissen Stellen den Fluß zu Pferde zu durchschwimmen und uns so Fleischproviant von Coonam-bula zu holen. Das wurde nun ganz unmöglich, weil kein Mensch und kein Pferd vermocht hätte, diese wilden Fluten zu durchkreuzen, ohne mitgerissen und von dem dahingewirbelten Treibholz erdrückt und zermalmt zu werden. Wir waren also zeitweilig von aller Welt abgeschnitten und mußten beginnen, mit unserm Salzfleisch, der einzigen Fleischnahrung, die wir hatten, sehr sparsam umzugehen.

Auf halber Höhe des Flußufers des Burnett befand sich an einer Stelle ein kleines stehendes Gewässer, das wohl von der letzten Hochflut her dort noch stehen geblieben war. Ich hatte bemerkt, daß dieser Teich in der Trockenheit allmählich einzutrocknen begann, und hatte deshalb eine Anzahl Ceratodus in ihn eingesetzt, um auf diese Weise experimentell festzustellen, wie die Tiere sich benehmen würden, wenn das Wasser, in dem sie sich befanden, allmählich austrocknete. Obwohl das Wasser hier bis auf einen Fuß gesunken war, machte keiner der Fische Anstalten, sich im Schlamm einzugraben und mit einem Kokon zu umgeben, wie es der afrikanische Lungenfisch Protopterus unter gleichen Umständen sicherlich getan haben würde. Leider verhinderte mich der Regen an der


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003