Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Störche, Reiher und Raubvögel.

der Rücken und Schwanz und die großen Flügeldeckfedern grün mit prachtvollem Goldglanz, Bauch und Brust, die kleinen Flügeldeckfedern und die Unterseite der Flügel sind weiß. Der mächtige Schnabel ist schwarz, die sehr langen Beine schön rot. Es gibt wohl kein zweites Mitglied der Storchsippe, das sich an Farbenpracht, Größe und Eleganz mit dem Jabiru messen kann. Ich habe nur ein einziges lebendes Exemplar beobachten können, das mich aber nicht bis auf Schußweite heranließ. Der abstreichende Vogel mit seinen wagerecht nach hinten gestreckten Beinen, seinen unten rein weißen, auf der Oberseite goldgrünen, mit weißem Fleck versehenen Schwingen bot einen herrlichen Anblick. Später sah ich dann in Eidsvold ein ausgestopftes, vor kurzem erlegtes Exemplar. Einen afrikanischen Verwandten des Jabiru, den afrikanischen Sattelstorch, Mycteria senegalensis, sieht man ab und zu in den europäischen Tiergärten.

Weit häufiger am Flusse ist der australische Kranich, Grus australasianus, der »native companion« der Kolonisten, ebenfalls ein überaus stattlicher Vogel mit silbergrauem Gefieder; nur die Oberseite der Flügel ist dunkler gefärbt. Auch der schöne australische Löffel-reiher, Platalea regia, ist nicht selten. Echte Reiher findet man überall an den Flüssen, stehenden Gewässern und Sümpfen, wo sie tagsüber einsam und ungesellig ihrem Fischergewerbe obliegen. Es sind nahe Verwandte unserer Fisch-, Edel- und Nacht-Reiher. Mit diesen Vögeln stand ich auf schlechtem Fuß, weil sie mir oft die Entenjagd verdarben. Hatte ich mich mit unsäglichen Mühen auf dem Bauche kriechend und alle Vorsicht anwendend an die Wildenten und Wildgänse bis beinahe auf Schußweite herangeschlichen und hatte günstige Deckung vor mir, so daß mich die auf dem Wasser liegenden Enten nicht sehen konnten, so erblickte mich ein auf einem Baum am Wasser sitzender Reiher, strich ab und nahm Enten und Gänse mit sich fort. Da war denn alle Mühe umsonst gewesen und abends gab es statt Entenbraten wieder Salzfleisch.

Man wird es begreifen, daß ich deshalb keineswegs freundschaftliche Gefühle für jene Spielverderber hegte und, wenn ich Raubvögel über mir ihre Kreise ziehen sah, immer wünschte, sie möchten unter dem Reihergesindel etwas aufräumen. Da ist der starke, kühne und raublustige Keilschwanzadler, Aquila (Uraetus) audax, unserem Goldadler ähnlich, aber noch schöner und eleganter. Wenn er zuweilen niedrig über den Fluß hinstrich, folgten ihm unter lautem Geschrei eine Menge kleiner Vögel, stießen auf ihn herab und schienen wie außer sich. Der majestätische Vogel schien die kleinen Schreier nicht zu beachten, obwohl sie ihm zweifellos die Jagd verdarben. Auch


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003