Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

116 Der Abzug der Schwarzen.

nehmen; zwei Monate halten sie wohl aus, dann aber wird ihnen die regelmäßige Tätigkeit zum Ekel, ihr Freiheits- und Wandertrieb erwacht, und sie geben viel angenehmere materielle Verhältnisse auf, um wieder ihr primitives Buschleben zu führen. Sie sind eben vollkommen unabhängig; alles was sie brauchen, liefert ihnen der Busch, ohne daß sie säen oder ernten. Mit ihren Speeren, Keulen und Bumerangs können sie fast jederzeit so viele Tiere erlegen, als sie für sich und die Ihrigen bedürfen. Ein Paar schräg aneinandergestellter Rindenstücke gewährt ihnen Schutz gegen Wind und Wetter; die Kleiderlumpen, die sie am Burnett als Bekleidung angenommen haben, reichen ihnen auf Jahre hin aus. Es fällt ihnen also nicht ein, ihre persönlichen Neigungen unter die Herrschaft der Weißen zu beugen, und häufig genug hört man die Weißen ihre ğindependenceĞ tadeln. Mir hat dieselbe, wie ich gestehen muß, immer eher imponiert, obwohl sie, auf gänzliche Bedürfnislosigkeit begründet, mit zur Folge hat, daß alle wohlgemeinten Erziehungsversuche bei den Schwarzen Australiens ebenso gescheitert sind wie bei den nordamerikanischen Indianern, und die Rasse sich zwar nicht dem vordringenden Weißen beugt, aber durch die Berührung mit ihm erlischt.

Alles in allem schien es mir nur eines leisen Anstoßes zu bedürfen, um mir die ganze Bande abwendig zu machen, und ich vermutete mit Recht, daß, wenn Frank tüchtig auf sie einredete, kein Halten mehr sein würde. Meinerseits den Schwarzen zum Bleiben zuzureden, wäre auch ganz verfehlt gewesen. Wenn ich damit Erfolg gehabt hätte, so würden sie noch weniger gearbeitet haben, als bisher, und mir immerfort mit ihrem Abzüge gedroht haben. Noch weniger dachte ich daran, Frank gegenüber klein beizugeben, etwa indem ich ihn durch Dahlke bereden ließ. Das schien mir denn doch zu unwürdig und hätte auch für die Dauer keine guten Früchte getragen. Ich beschloß daher der Sache ihren Lauf zu lassen.

Die Stelle im Flusse bei Mundubbera enthielt natürlich auch keinen Ceratoduslaich, nicht einmal Wasserpflanzen. Ich weiß nicht, wie der sehr kurzsichtige Sairie zu dieser Angabe gekommen war.

Als ich abends zurückkam, teilte mir Dahlke gleich mit, daß alle Schwarzen mich verlassen wollten. Noch im Fortreiten am Morgen hatte Frank ihnen einige Worte zugerufen, die wie ein Zauberschlag gewirkt hatten. Abends war die ganze Gesellschaft höchst vergnügt und aufgeräumt, und lange noch hörten wir sie in ihrem Camp lachen und singen. Sollten sie doch am nächsten Morgen ausgezahlt werden und wieder einmal bares Geld in die Hände bekommen. Am nächsten Tage in der Frühe war dann große Auszahlung. Ich sah


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003