Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

Volltext

[Vorige Seite][Index][Nächste Seite]

Ein Grobschmied als Uhrmacher und Photograph. 109

der damals viel gelesen wurde. Da unsere Pferde sehr gut eingewöhnt waren, nahmen wir ihnen endlich die Hobbles ab, um sie freier und ungehinderter weiden zu lassen.

Im Oktober war mehrfach starker Gewitterregen gefallen, die Weide wurde grün und fett, und unsere Pferde standen bald gut im Futter, und wenn man auch nicht sagen kann, daß der Hafer sie zu stechen begann, da sie keinen bekamen, so wurden doch besonders die Lastpferde durch gute Nahrung und süßes Nichtstun zu allerlei Dummheiten angeregt. Unsre Reitpferde hatten nicht so gute Tage. Ich bemerkte nun eines Tags, daß zwei der Lastpferde zu verschiedenen Malen den Fluß überschritten und sich weidend langsam in nördlicher Richtung zu entfernen begannen. Ich trieb sie jedesmal wieder zurück, aber weder Dahlke, dem ich meine Beobachtung mitteilte, noch ich selber vermuteten, daß die Pferde sich mit weitergehenden Plänen trügen. Am nächsten Morgen sahen wir keins von unsern Pferden, was uns nicht weiter auffiel, weil sie in einem Umkreis von mehreren Kilometern von unserm Camp zu weiden pflegten. Am Nachmittag holte ich mir mein Pferd, um einen Ausritt zu machen, ich fand bald die ganze Gesellschaft wie gewöhnlich beisammen, vermißte aber die beiden Zugpferde, die gestern so beharrlich versucht hatten, den Fluß zu überschreiten. Ich durchstreifte die ganze Gegend in der Nähe des Lagers und konnte nirgends eine Spur von den beiden entdecken. Ich rief Dahlke, dem die Pferde gehörten und der ihretwegen ziemlich unruhig wurde; auch er suchte ohne Erfolg. Etwa drei Stunden vor Sonnenuntergang kam Frank zurück, der angeblich im Scrub Echidna gesucht und wie gewöhnlich nichts gefunden hatte. Wir sendeten ihn sofort nach den Pferden und sagten ihm, daß sie wahrscheinlich nachts über den Fluß gegangen und sich nordwärts entfernt hätten. Frank ritt ihnen nach und fand nach kurzem Suchen die Spuren der beiden Ausreißer; er folgte ihnen eine lange Strecke, wie er behauptete, etwa 10 Kilometer, bis zu einer Stelle, wo sich die beiden getrennt hatten, und nun jedes für sich weidend weiter gezogen waren. Das merkwürdige bei dieser Sache war nämlich, daß die beiden Flüchtlinge für gewöhnlich untereinander nicht besonders gute Kameraden waren, und sich nur zu diesem Geniestreich vereinigt hatten. Da es zu dunkel wurde, um den Pferden weiter zu folgen, so kehrte Frank an diesem Abend unverrichteter Sache zurück. Abends stand wieder ein Gewitter am Himmel und Dahlke beobachtete die Wolken mit ängstlichen Augen. Ein starker langandauernder Regen hätte die Spuren ganz verwischt und die Möglichkeit, den flüchtigen Tieren auf der Spur zu folgen, zu nichte gemacht. Nun war ja


Faxsimile (Scan) dieser Textseite.

Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
Dieses Buch ist Teil von www.biolib.de der virtuellen biologischen Fachbibliothek..
© Kurt Stueber, 2003