Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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106 Das Camp am Auburn.

Vermutung aus, der neuentdeckte australische Lungenfisch möge sich vielleicht ebenso in den Schlamm vergraben, um die Trockenzeit im Kokon zu verbringen, wie sein afrikanischer Verwandter. Was er als Vermutung aussprach, wurde dann später als positive Tatsache wiederholt.

Als ich an den Burnett kam, suchte ich natürlich näheres über Sommerschlaf, Eingraben in den Schlamm und Kokonbildung in Erfahrung zu bringen. Lag doch in der Tat bei dem häufigen Eintrocknen der australischen Flüsse der Gedanke an ein analoges Verhalten, wie der Protopterus es zeigt, sehr nahe. Das Resultat meiner Nachfrage war aber ein ganz negatives, und auf Grund meiner eignen Beobachtungen und Experimente muß ich das Vorkommen eines Sommerschlafs bei Ceratodus und Kokonbildung irgend einer Art auf das entschiedenste in Abrede stellen.

Man kann das Tier das ganze Jahr im Fluß mit Netz und Angel fangen. Die Zeit des niedrigsten Wasserstandes im Burnett fällt normalerweise in das Ende der Trockenzeit, gerade in diese Zeit fällt aber die Laichzeit der meisten Ceratodus, die natürlich nicht gleichzeitig sommerschlafen und sich fortpflanzen können. Da noch niemals Kokons von Ceratodus aufgefunden worden sind und es sicher ist, daß solche Gebilde den geschärften Sinnen der Schwarzen nicht völlig entgangen sein würden, so ist von ihnen ganz abzusehen.

Nun ist, wie schon früher erwähnt, Ceratodus ein Vertreter der beinahe ausgestorbenen Klasse der Lungenfische oder Dipnoer, das heißt von Fischen, die zwar noch Kiemen besitzen und durch diese atmen, wie die übrigen Fische, deren Schwimmblase aber schon ihrem Bau und ihrer Gefäß Versorgung nach in eine Art Lunge umgewandelt ist. Wozu gebraucht nun Ceratodus diese Lunge, wenn er nicht ans Land geht und auch in der trocknen Jahreszeit nicht gezwungen ist, sich an ganz andre Lebensbedingungen, Aufenthalt und Atmen im Kokon wie Protopterus anzupassen? Daß auch Ceratodus seine Lunge wirklich als Atmungsorgan benutzt, konnte ich hundertfach beobachten. An den Stellen des Flusses, wo der Fisch sich aufhält, hört man ganz regelmäßig ab und zu ein dumpfes, stöhnendes Grunzen. Es rührt dies von unserm Fisch her, der von Zeit zu Zeit an die Oberfläche kommt, um die in seiner Schwimmblase befindliche Luft zu entleeren und neue aufzunehmen. Daß es in der Tat Ceratodus ist, der dieses eigentümliche Geräusch hervorbringt, davon konnte ich mich leicht überzeugen, als ich die Tiere lebend in großen Kübeln oder in selbstgegrabenen Lachen hielt. Ich sah, daß sie etwa alle 30—40 Minuten an die Oberfläche kamen und die


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003