Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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102 Das Camp am Auburn.

fortzuschnellen. Die paarigen Flossen des Ceratodus sind viel zu weich und nachgiebig, um den schweren Körper auf dem Lande fortbewegen zu können. Ob diese Flossen gelegentlich im Wasser auf dem Grunde zu Kriechbewegungen benutzt werden, ist noch zweifelhaft. Dagegen besitzen sie neben ihrer Funktion als Ruder-und Steuerorgane auch noch die Aufgabe, den Körper beim Ruhen auf dem Grunde in erhöhter Stellung zu tragen.

Diese Tatsache habe ich nicht während meines Lagerlebens in Australien feststellen können, weil die Beobachtung eines im tiefen Wasser lebenden Fisches in seinem Freileben über manche Fragen überhaupt nicht Auskunft geben kann, und weil die Untersuchung der gefangen gehaltenen Fische durch die primitiven Verhältnisse des Lagerlebens, die Unmöglichkeit sie in großen mit Glaswänden versehenen Behältern zu betrachten, in hohem Maße erschwert war. Bei anatomischer Untersuchung der Flossen fand ich aber die Tatsache, daß sowohl die Brust- als auch die Bauchflossen insofern einen bedeutenden Unterschied, ich möchte sagen Fortschritt gegen die Flossen der übrigen Fische, der Haifische und Rochen, Schmelz-schupper und Knochenfische zeigten, als sie einen zweiarmigen, keinen einarmigen Hebel darstellten, oder anders ausgedrückt, daß die Lungenfische nicht nur ein Schulter- und Hüftgelenk besitzen wie die übrigen Fische, sondern auch ein Ellenbogen- und Kniegelenk, worin wiederum eine Annäherung an die höheren Wirbeltiere zu erkennen ist.

Wozu dienen aber diese neuen Gelenke, wenn nicht zur Ortsbewegung auf dem Lande? Zur Beantwortung dieser Frage gelang es mir nachträglich, einiges neues Material zu gewinnen.

Als ich im Oktober des Jahres 1898 hörte, daß im Zoologischen Garten zu London sich gegenwärtig zwei lebende Ceratodus befänden, die gut in der Gefangenschaft fortkämen, empfand ich den lebhaften Wunsch, daß diese vorzügliche Gelegenheit ausgenutzt würde, um in unter günstigen Verhältnissen fortgesetzter Beobachtung näheres über die Biologie des Fisches, besonders über die Funktion seiner paarigen Flossen, zu ermitteln. Auf Bitte von Professor G. B. Howes hin hatte Mr. Arthur Thomson, Headkeeper am Zoologischen Garten zu London, die besondere Güte, nach einem von mir aufgestellten Fragebogen diese Beobachtungen durchzuführen und mir ihre Resultate zur Publikation zur Verfügung zu stellen.

Die beiden Fische wurden in London zunächst in einem Glasaquarium von ungefähr 4 Fuß Länge und 3 Fuß Breite, 2 1/2 Fuß Höhe gehalten, später kamen sie in ein andres, größeres, von 7 Fuß Länge und 5 Fuß Breite. Ein Wasserstrom geht nicht durch die


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003