Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Lebensgewohnheiten des Lungenfisches. 101

angel, Setzangel und der Angelrute. Als ich zum zweiten Male in den Distrikt zurückkehrte, brachte ich ein paar große Zugnetze mit und machte verschiedene Fischzüge, ohne jedoch dabei besonders gute Resultate zu erzielen. Die beste Methode, den Fisch zu fangen, haben die Schwarzen, die sich dazu zweier kleiner selbstgefertigter Handnetze bedienen. Das eine wird in die rechte, das andre in die linke Hand genommen und mit ihren halbmondförmigen Rahmen um den Fisch aneinander geklappt. Der Fischer taucht dabei in die Tiefe der Wasserlöcher, da, wo er Ceratodus vermutet, und kundschaftet mit Augen, Händen und Füßen die Position des Fisches aus, der für gewöhnlich bewegungslos auf dem Grunde liegt. Alsdann kommt er meist wieder an die Oberfläche, um Luft zu schöpfen, und taucht zum zweiten Male, um den Fisch vorsichtig in die Netze einzuschließen und mit einem Ruck herauszuheben. Eine derartige Fangart ist natürlich nur bei ganz ungewöhnlich trägen, langsamen, indolenten Fischen möglich und ein solcher ist Ceratodus. Man kann ihn sogar bei einiger Vorsicht unter Wasser berühren, ohne daß er seine Stelle wechselt. Wird er einmal durch die Berührung beunruhigt, so schwimmt er mit einem plötzlichen Ruck eine kurze Strecke weit fort, bleibt dann wieder regungslos liegen und das Spiel wiederholt sich. Er gleicht in dieser Beziehung sehr einem Wassermolch. Bei seiner gewaltigen Kraft gelingt es ihm unter Wasser nicht selten, sich aus dem Netze zu befreien, auch bricht er leicht die Angel; einmal außer Wasser ist er aber ganz hilflos.

Aus dem Umstände, daß ich den Fisch bei Tag und bei Nacht, morgens und abends mit der Angel gefangen habe, schließe ich, daß er weder ein ausgesprochenes Tages- noch Nachttier ist und sich bei seiner Nahrungssuche wenig um die Tageszeiten kümmert. In der Art, wie er die Angel nimmt, ist er außerordentlich launisch; zuweilen wollte wochenlang kein einziger beißen, zuweilen fing man täglich mehrere, einmal bei Beginn einer Regenperiode innerhalb zwei Tage zehn Stück.

Ganz irrig ist die Angabe, daß er ans Land gehe oder auf die aus dem Flusse hervorragenden Baumstämme krieche, um sich zu sonnen. Das sind reine Phantasiegebilde, die nur durch Verwechslung mit ändern Geschöpfen entstanden sein können, oder von Leuten herrühren, die den Fisch selbst nicht beobachtet haben. In Wirklichkeit ist Ceratodus außerhalb des Wassers hilfloser als die meisten ändern Fische und zu jeder Ortsbewegung unfähig. Es gelingt ihm nicht einmal, sich durch Schläge des Schwanzes eine Strecke weit


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003