Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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94 Das Camp am Auburn.

Zeit zum Weiden zu lassen, darf man nur kleine Tagereisen machen und darf das Tempo nicht zu sehr beschleunigen. Nachts wird nicht gewandert, sondern während ein Teil der Treiber schläft, bewacht der andre die Herde und verhindert, daß sie sich fortbegibt oder zerstreut. Bei nächtlichen Gewittern oder Stürmen ergreift jedoch zuweilen die Herden ein panischer Schrecken, zumal wenn sie sich in fremder Gegend befinden, sie rasen dahin, keine Menschengewalt vermag sie aufzuhalten. — Das sind dann schlechte Zeiten für den Führer des Transportes, und wenn es ihm auch gelingt, den größten Teil der versprengten Herde wiederzufinden, so kann er natürlich nicht nach einzelnen Stücken viele Tage lang suchen und muß froh sein, wenn ein solcher Unfall ohne zu große Verluste abläuft. Trotzdem die Arbeit der Treiber bei solchen Rinderund Pferdetransporten eine recht anstrengende ist, ist sie bei den jungen und unternehmungslustigen Kolonisten sehr beliebt. Man führt ein freies ungebundenes Leben, sieht jeden Tag etwas neues und krönt seine Arbeit durch den Besuch der Großstadt, in der man dann gewöhnlich den Lohn seiner Arbeit rasch verjubelt und an Erfahrungen und Erinnerungen reicher die Rückkehr in den fernen Busch antritt.

Mitte Oktober bemerkte ich mit Freuden, daß ein interessantes Beuteltier, der allen Ansiedlern wohlbekannte Beutelbär, Phascolarctos cinereus, der Brunstzeit nahe war, und ich hoffen durfte, von ihm bald eine gute Entwicklungs-Serie anlegen zu können. Ich entnahm dies sowohl aus der anatomischen Untersuchung, als auch aus den brünstigen Rufen der männlichen Tiere, die man nachts oder auch morgens und abends weithin durch den schweigenden Busch schallen hörte.

Um mich fortdauernd in bequemer Weise mit Material von ausgewachsenen Ceratodus zu versehen, spannte ich eine lange starke Leine von einem Ufer des Auburn zum ändern, an einer Stelle, die mir als fischreich bekannt war. An dieser Leine wurden in gewissen Abständen Schnüre mit starken Angelhaken befestigt, lang genug, um ziemlich tief ins Wasser hinein zu hängen. Meistens hatte ich ungefähr 20 solcher Schwebeangeln im Gang, die mit Schnecken, Würmern, Krebsen, Fleisch, am besten aber mit kleinen Fischen beködert wurden. Morgens, mittags und abends wurden die Angeln revidiert, Tiere, die sich etwa gefangen hatten, in Sicherheit gebracht, und die Angelhaken, wenn nötig, neu mit Köder versehen. Auch fischten wir ziemlich viel mit Wurfangeln. Eine an einer langen Schnur befestigte und mit einem tüchtigen Stein beschwerte Angel


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003