Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Ein lustiges Reiten. 93

lassen und sich, einmal gefaßt, besser zu helfen wissen. Außerdem muß man beim Kastrieren der Hengstfüllen vorsichtiger sein, weil das Pferd die Verletzung schwerer verträgt als das Rind, und viel kostbarer ist als das letztere.

Die am Tage gemusterten Stücke werden noch an demselben Nachmittag und Abend nach ihren alten Weideplätzen zurückgebracht. Zunächst treibt man sie zum Fluß oder Creek, wo sie den ihnen so notwendigen Trunk finden, den sie oft 24 Stunden und länger entbehren mußten. Auch gibt man so den Kühen Zeit, ihre Kälber wiederzufinden, so lange die Herde noch beisammen ist. Dann geht es weiter den Weideplätzen zu, oft ein Weg von 30 oder 40 Kilometern. Eine Herde von 500 Stück kann ganz gut von drei oder vier Menschen getrieben werden, zwei treiben von hinten, die beiden andern reiten rechts und links an den Seiten und verhindern, daß einzelne Stücke seitlich ausbrechen, oder die ganze Herde nach einer Seite abschwenkt. Macht ein Rudel einmal eine plötzliche Wendung, so sucht man sie durch Geschrei und Hallorufen abzubringen, und nutzt das nichts, so kommt man ihnen zuvor und galoppiert von der Richtung her, in der sie ausbrechen wollen, direkt in sie hinein. Besonders obstinate Gesellen erhalten wohl auch einen Denkzettel mit der gewaltigen Rinderpeitsche »stockwhip«, deren Schnur eine Länge von 4 bis 5 Metern hat. Übrigens will der Gebrauch dieses Instruments gelernt sein, und der Unkundige kann sich damit selbst sehr empfindliche Züchtigungen erteilen, während der geübte Stockman mit unfehlbarer Sicherheit das Tier, das er strafen will, genau an der Stelle trifft, die er aussucht. Es ist ein lustiges Reiten hinter einer Rinderherde her, das Geschrei des Treibens, das lustige Galoppieren, die Aufmerksamkeit auf die Tiere rechts und links vor einem, endlich das Vergnügen der Pferde selbst an dieser Arbeit, wie sie genau darauf achten, daß kein Rind Dummheiten macht und seitlich ausbricht, und wie der Blitz hinter dem Ausreißer her sind, ohne daß ihr Reiter ihnen die mindeste Ermunterung zu erteilen braucht. Alles das hat einen unbeschreiblichen Reiz und erfüllt mit einer wilden übermütigen Freude.

Natürlich ist die Aufgabe, die Rinder ein oder zwei, höchstens drei Tagereisen von einem Punkt der Pachtung zum andern zu treiben, eine leichte und gar nicht zu vergleichen mit der Schwierigkeit, die die weiten Viehtransporte etwa vom Burnett nach Sydney oder gar noch weiter vom Norden nach Sydney bereiten. 1000 Stück Rinder von Coonambula nach Sydney zu treiben erfordert mindestens zwei Monate. Um die Tiere nicht zu übermüden und ihnen hinreichend


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003