Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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Mustern der Herden. 91

Die Technik des Musterns ist folgende: In der Umgebung der Station und auch an einigen andern Punkten, so zum Beispiel im Coonambula-Gebiet bei Mundubbera, sind umfangreiche, aus starkem Balkenwerk bestehende Gehege, sogenannte »Yards« hergestellt, die eine größere Anzahl von Rindern, 500—1000 Stück, aufnehmen können. Hierhin werden nun von Tag zu Tag Teile der Herden hineingetrieben und müssen in den Yards ohne Nahrung verweilen, bis sie fertig gemustert sind. Man sucht es deshalb so einzurichten, daß die Tiere höchstens ein bis drei Tage lang in den Yards zu verweilen brauchen.

Als ich zum erstenmal zum Mustern nach Coonambula kam, fiel es mir schon von weitem auf, daß eine gelbe Staubwolke über der Ebene lag, auf der die Station sich befindet, und daß ein dumpfes Getöse die Luft erfüllte. Der Staub wurde aufgewirbelt von vielen Hunderten von Hufen der Rinder, die in den engen Yards eingezwängt ängstlich den Boden aufwühlten und die Luft mit ihrem Gebrüll erfüllten; ein fremdartiger und aufregender Anblick. Zur Vornahme des eigentlichen Musterns wird nun eine gewisse Anzahl Rinder in eine engere Umzäunung getrieben. Aus der kleineren, in der engeren Umzäunung befindlichen Schar werden dann die sämtlichen Kälber, die noch keinen Brand besitzen, auch die einjährigen, die etwa im vorigen Jahre beim Mustern keinen Brand erhalten haben, von den übrigen getrennt und in eine noch engere Umzäunung getrieben. Hier wird ihnen der Brand aufgedrückt, die Ohrmarke ausgeschnitten und alle die männlichen Kälber, die man nicht zur Nachzucht verwenden will, kastriert. Die kleineren Kälber werden einfach von zwei Männern niedergeworfen und an den Beinen festgehalten, während ein dritter seinen Fuß auf die Schulter des am Boden liegenden Tieres stemmt und ihm kräftig den rotglühenden Brand aufdrückt. Ältere und kräftigere Tiere lassen sich nicht so ohne weiteres bewältigen. Man wirft ihnen einen Lasso über den Kopf und läßt sie an diesem durch ein außerhalb der Umzäunung befindliches Pferd an den Zaun heranziehen. Wenn sie dicht an diesem stehen, werden ihnen, ohne daß sie es bemerken, Schlingen von außen her um den rechten Vorder- und Hinterfuß gelegt und beide Schlingen gleichzeitig kräftig angezogen. Auch das kräftigste Rind stürzt dadurch wie vom Blitze getroffen zu Boden und ist dann, wenn die Taue, welche seine Beine fesseln, stramm angezogen werden, gänzlich widerstandslos.

Es ist manchmal keine kleine Arbeit, einen kräftigen jungen Bullen, dem es zwei Jahre hindurch geglückt ist, sich dem Mustern


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003