Richard Semon: Im australischen Busch und an den Küsten des Korallenmeeres. (1903)

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88 Das Camp am Auburn.

ein besonders begabter Flötenvogel allmorgendlich nahe bei meinem Camp an der Auburnmündung weithin erschallen ließ:

Diese anziehende Melodie, in reinen klangreichen Lauten mit Inbrunst vorgetragen und mit Begeisterung wiederholt, entzückte mich stets von neuem und gewann dem frohen Sänger meine ganze Freundschaft.

Stundenlang nach Sonnenaufgang ließen sich in der Nähe der Flußläufe und stehenden Gewässer die dumpfen Lockrufe langgeschwänzter, fasanenähnlicher Vögel vernehmen, die von den Kolonisten Buschfasanen genannt werden. Meistens halten sich die Tiere auf der Erde im dichten Gras und Gesträuch auf. Aufgescheucht fliegen sie schwerfällig auf einen niedern Baumast und springen von Ast zu Ast in die Höhe, bis sie endlich den Gipfel des Baumes erreichen und abstreichen. Dieser Buschfasan ist aber kein wirklicher Fasan, sondern ein Kuckuck, dessen Ruf allerdings mit unserm Kuckucksruf nicht die geringste Ähnlichkeit hat. Die echten Fasanen fehlen ebenso wie die echten Finken (Fringillidae), die Spechte (Picidae) und die Geier (Vulturidae) der ganzen australischen Region vollständig. Nicht selten und zwar fast nur zur Nachtzeit hört man aber auch wirklichen Kuckucksruf im Busch.

Merkwürdigerweise wird er nicht von einem Kuckuck, sondern von einer Eule, der Kuckuckseule, Spiloglaux boubouk, hervorgebracht. Ein wunderbares Land in der Tat! Die Säugetiere legen Eier, die Kuckucke sehen wie Fasanen aus, und die Eulen rufen Kuckuck.

Nach Sonnenuntergang, zuweilen wenn es schon völlig dunkel geworden war, hörte ich vielfach einen klangvollen, oft sogar schrillen Lockruf. Dahlke behauptete, die Töne rührten von dem australischen Brachvogel (Curlew), Numenius australis, her. Den Vogel selbst habe ich niemals erlegt.

Der eigentümlichste Laut aber, den man vernehmen kann, ist das Höllengelächter, das am Fluß mit solcher Regelmäßigkeit bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ertönt, wie das Schlagen einer Uhr. Nur spärlich sind bis jetzt die Ansiedlungen der Menschen im Busch verstreut, nur wenige derselben haben eine Kirche, nie habe ich dort eine Turmuhr gesehen oder gehört. Uhr des Kolo-


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Das Original des Werkes wurde freundlicherweise von der Universitätsbibliothek Köln zur Verfügung gestellt. Einscannen und bearbeiten durch Frank Al-Dabbagh, Oktober, 2003.
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© Kurt Stueber, 2003